Inhalt
1. Aus dem Netzwerk
2. Steuersystem: gerecht, sozial und ökologisch
- Versprochen: die Steuerpläne der Parteien im Check
- Vermögen und Erbschaft: Neugestartet: #taxmenow
- Unternehmensteuern: Festgeschrieben – Die Steuerrevolution auf 5 Seiten
3. Steuerbehörden: gestärkt gegen Steuerhinterziehung
- Ausgeliefert: Etappensieg gegen Mr. Cum-Ex und Umsatzsteuerbetrüger
4. Internationales: Deutschland als Entwicklungshelfer oder Geldwäscheparadies
- Gesammelt: 13 Lösungsvorschläge für das Geldwäscheparadies Deutschland
5. Termine
1. Aus dem Netzwerk
Wir arbeiten gerade mit Hochdruck daran die Steuertricks der Milliardäre zu analysieren, die Steuerlücken im deutschen Steuersystem zu katalogisieren und für unser Jahrbuch Steuergerechtigkeit übersichtlich und verständlich aufzubereiten. Deswegen diesmal ein verkürzter Newsletter. Und eine kleine Erinnerung vorweg: Wer noch es noch nicht getan hat: Bitte unterstützen Sie hier unsere Crowdfunding-Kampagne. 2. Steuersystem: gerecht, sozial und ökologisch
Versprochen: die Steuerpläne der Parteien im Check
Die Grundbotschaft von Armin Laschet schien eindeutig: “keine Steuererleichterung im Moment. Dazu haben wir nicht das Geld”. Berechnungen des ZEW zu den Wahlprogrammen kommen zu einem ganz anderen Ergebnis. Alle Parteien versprechen Steuersenkungen für kleine Einkommen. Für ein Ehepaar mit zwei Kindern mit niedrigem Einkommen (20.000 Euro pro Jahr) gäbe es zwar nach den Plänen der Union nur 892 Euro mehr und damit dreimal weniger als bei der FDP (SPD und Grüne versprechen knapp mehr) und sogar siebenmal weniger als bei der Linken. Dafür bekommen die Spitzenverdiener (300.000 Euro pro Jahr + 5 Mio privates Nettovermögen) bei Union und FDP umso mehr, während sie bei SPD, Grünen und bei der Linken für die Steuersenkungen bei den niedrigen Einkommen zahlen müssten. (Die Zahlen zu den Linken sind allerdings teils erheblich falsch berechnet: unten wäre die Zuwächse etwas geringer, oben die Verluste viel geringer.) Die Pläne von Linken, Grünen und SPD würden also die Ungleichheit senken und dabei insgesamt noch zu Zusatzeinnahmen für die anderen Wahlversprechen führen. Bei Union und FDP verbliebe ein Minus von 33 bzw. 88 Milliarden Euro. Wie war das noch gleich?: „Dazu haben wir nicht das Geld…“ Mehr dazu in unserer Analyse der Wahlprogramme aus dem Jahrbuch Steuergerechtigkeit im Preview hier.
In Kürze:
- Laut einer Studie des RWI könnte die Abschaffung des Ehegattensplittings das Arbeitsangebot um etwa 389.000 bis 581.000 Vollzeitäquivalenten steigern – je nachdem, ob die zusätzlichen Steuereinnahmen durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags wieder zurückgeführt werden. Ärmere Bevölkerungsgruppen könnten laut der Studie durch den Wechsel zur Individualbesteuerung besonders stark belastet werden, was anderweitig ausgeglichen werden muss. (Zusammenfassung im Spiegel)
Vermögen und Erbschaft: Neugestartet: #taxmenow
Es gibt (wieder) eine engagierte Gruppe reicher Menschen, die sich in Deutschland (und Österreich) für eine höhere Besteuerung von Vermögen einsetzen. Die in der Bewegungsstiftung organisierten Millionär*innen nennen sich taxmenow. Zum Start ihrer Kampagne ist ein langer Artikel in der Süddeutschen erschienen, der einige zentrale Köpfe und ihre konkreten Anliegen vorstellt.
In Kürze
- Die Aufnahme der sehenswerten gemeinsamen Veranstaltung von DIW und OECD zur neuen OECD-Studie über Erbschaftsbesteuerung kann hier angeschaut werden
Unternehmensteuern: Festgeschrieben – Die Steuerrevolution auf 5 Seiten
G7, IF und dann G20. In den letzten Tagen wurde viel über die Reform der Unternehmensbesteuerung diskutiert. Das mit Abstand wichtigste Dokument dieser Tage ist das 5-seitige Statement des Inclusive Framework, dem am 1. Juli 131 von 139 Staaten zugestimmt haben. Im Vergleich zu den 100+ Seiten der Blueprints vom letzten Oktober sieht man dort viele Festlegungen und einige größere Änderungen:
Bei Säule 1 geht es nicht mehr um digital/consumer-facing. Stattdessen sollen jetzt alle Unternehmen mit mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 10 % Rentabilität und damit etwa 100 Unternehmen weltweit betroffen sein. Weder Volkswagen (als umsatzstärkstes deutsches Unternehmen) noch Amazon erreichen die 10 %. In sieben Jahren soll dann geprüft werden ob die Umsatzschwelle halbiert wird. Ob 20 oder 30 % der Gewinne über 10 % neu verteilt werden, wird noch verhandelt. Die G24 hatten im Mai gefordert, schon jetzt die Ausweitung auf weitere Unternehmen festzuschreiben und die Anteil der neu zu verteilenden Gewinne bei höherer Rentabilität auf bis zu 50 % zu erhöhen. Das würde ökonomisch Sinn machen (weil es um Monopolgewinne geht) und wäre selbst für Deutschland ein Gewinn (weil nur Google & Co betroffen wären). Die OECD ist der G24 also einen sehr kleinen Schritt entgegen gekommen, dafür fordert sie unmissverständlich: „This package will provide for appropriate coordination between the application of the new international tax rules and the removal of all Digital Service Taxes and other relevant similar measures on all companies.” (sprich: keine Digitalsteuern mehr). Die EU hat prompt reagiert und den eigentlich für Mitte Juli angekündigten Vorschlag einer Digitalsteuer verschoben.
Säule 2 – die Mindeststeuer – wird auf „mindestens“ 15 % festgeschrieben und soll bis 2022 in Gesetz gegossen sein. Die Frage ist: in welches. Die EU-Kommission argumentiert für eine Richtlinie, der alle Mitgliedsstaaten zustimmen, weil dann eine Verletzung der Grundfreiheiten für die Gerichte leichter verdaubar wäre. Ein Papier von Becker/Englisch kontert mit einem Vorschlag, der nicht zu Ungleichbehandlung führt und deswegen auch in verstärkter Zusammenarbeit (ohne die EU-Steueroasen) umsetzbar wäre. Zweite spannende Frage ist, wie effektiv der beschlossene Steuersatz am Ende ist. Ungarn (Steuersatz 9 %) fordert einen großzügigen substance carve-out, also eine Mindeststeuerbefreiung für vor Ort tätige Unternehmen (die deutschen Autobauer wird’s freuen). Die OECD bietet 5-7,5 % vom Wert der Fabriken bzw. der Lohnsumme. Die baltischen Staaten fordern lange Ausnahmen für ihr Modell, das Gewinne gar nicht (!) besteuert bis sie ausgeschüttet werden. Die OECD bietet bis zu vier Jahre Befreiung. Die größte Ausnahme geht allerdings an die vielen privaten Steueroasen-Briefkästen der Multimillionäre: Unternehmen mit weniger als 750 Millionen Euro sind nicht betroffen, es sei denn die Steueroase entscheidet sich, diese Mindestgrenze zu unterschreiten. (Übrigens: Anders als in diesem verwirrten Spiegel-Artikel behauptet wäre Amazon von der Mindeststeuer – anders als von Säule 1 – eindeutig betroffen. Das Problem ist nur, dass die zusätzlichen Steuern auf die europäischen Gewinne am Hauptsitz in den USA anfallen und nur in Europa verbleiben, wenn a) Luxemburg entscheidet, die effektive Besteuerung auf 15% anzuheben, und b) Amazon entscheidet, dass es sich dann nicht mehr lohnt die Gewinne in Steueroasen zu verschieben und sie gleich in Deutschland belässt).
Wer es etwas weniger technisch mag, dem sei dieser Handelsblatt-Artikel empfohlen. Er macht aus der Mindeststeuer einen deutschen Helden-Epos mit Martin Kreienbaum (BMF) und Achim Pross (OECD) in den Hauptrollen. Und er offenbart dabei wahrscheinlich unfreiwillig das Hauptproblem hinter dem Deal: Die Mindeststeuer wurde demnach im BMF erfunden, aus der Angst, die Reformpläne zur gerechten Besteuerung der Digitalkonzerne „könnten für das Exportland Deutschland teuer werden“. Keine Steuerrevolution also, sondern eine Konterrevolution, die wesentliche Fortschritte bringt aber hofft, damit die ungerechten Machtverhältnisse und Systemprobleme für weitere 100 Jahre zu zementieren.
3. Steuerbehörden: gestärkt gegen Steuerhinterziehung
Ausgeliefert: Etappensieg gegen Mr. Cum-Ex und Umsatzsteuerbetrüger
Einer der zentralen Drahtzieher der Cum-Ex-Geschäfte zu ihren Hochzeiten ab Mitte der 2000er-Jahre, Hanno Berger, hatte sich 2012 unverzüglich in die Schweiz abgesetzt, als er von einer Durchsuchung seines Büros durch die Staatsanwaltschaft Köln erfahren hatte. Entgegen seiner ursprünglichen Aussagen wollte er wegen angeblicher Krankheit auch nicht dem ihm drohenden Gerichtsprozess am Landgericht Wiesbaden beiwohnen. Der Plan, sich durch einen Umzug in die Schweiz der deutschen Justiz zu entziehen, ist anscheinend nicht aufgegangen. Berger ist auf Basis eines Auslieferungsantrags in seiner neuen Heimat festgenommen worden. Massimo Bognanni schreibt auf tagesschau.de: „In dem Schweizer Auslieferungshaftbefehl soll es demnach heißen, es sei nicht unwahrscheinlich, dass dem deutschen Auslieferungsantrag stattgegeben werde.” Berger setzt sich bereits gegen die – angesichts der Schweizer Steuer-Geschichte durchaus ungewöhnliche – Auslieferung zu Wehr. Der Fall liegt beim Schweizer Bundesamt für Justiz und könnte bis vor das Bundesgericht gehen.
Das Mehrwertsteuer-E-Commerce-Paket ist da. Seit dem 1. Juli müssen Plattformbetreiber wie Amazon und Ebay die Umsatzsteuer für ihre Händler einbehalten, nachdem letztere bereits seit 2019 eine Umsatzsteueridentifikationsnummer vorweisen müssen. Eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag zeigt, dass die Maßnahmen gegen Steuerbetrug durch ausländische Onlinehändler auf den großen Plattformen teilweise Wirkung zeigen. Seit Anfang 2019 ist die Zahl der steuerlich registrierten Unternehmer aus China von 7.700 auf 64.000 gestiegen. Die „weit überwiegende Anzahl“ davon sind wohl Onlinehändler. Die Datenlage ist dennoch, mal wieder, dürftig: „Der Bundesregierung liegen keine Schätzungen über jährliche Steuerausfälle durch Umsatzsteuerhinterziehung im Onlinehandel seit 2018 vor.” Laut dem Berliner Senat für Finanzen ist das Umsatzsteueraufkommen in Deutschland gemeldeter chinesischer Händler jedoch 2017 bis 2021 von 14,3 auf 134,4 Millionen Euro gestiegen. Weiterhin verkaufen aber wohl viele Händler auf nicht-europäischen Plattformen, ohne Mehrwertsteuer abzuführen.
In Kürze
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- Der Bundesgerichtshof entscheidet am 28.07. letztinstanzlich über das erste strafrechtliche Cum-Ex-Urteil des Landgerichts Bonn
- Ronen Steinke beklagt in der Süddeutschen pointiert die unterschiedliche Behandlung von Hartz-IV-Betrügern und reichen Steuerhinterziehern. Sowohl moralisch als auch durch die Kosten-Nutzen-Brille betrachtet, ist der jetzige Zustand unhaltbar.
4. Internationales: Deutschland als Entwicklungshelfer oder Geldwäscheparadies
Gesammelt: 13 Lösungsvorschläge für das Geldwäscheparadies Deutschland
1993 wird Pablo Escobar in Medellín erschossen. 1989 hatten die G7 die Financial Action Task Force ins Leben gerufen, um die Geldwäsche – vor allem der Kokain-Milliarden – besser zu verfolgen. Der Krieg gegen die Drogenkartelle und die Drogen war wenig erfolgreich. Hunderttausende Menschen sind dabei schon gestorben und Kokain kommt weiter tonnenweise in die USA und Europa. Der Krieg gegen die Geldwäsche hat noch nicht mal richtig begonnen. Noch immer wird weniger als 1 % der Gewinne konfisziert. Und selbst nach mehr als 30 Jahren und nach den Panama Papers fließt weiter anonymes Geld über karibische Briefkastenfirmen und ein liechtensteinisches Bankkonto an einen Unionspolitiker. Was Kokain, Korruption und Steuerhinterziehung gemeinsam haben und wie man sie gemeinsam besser bekämpfen müsste, fasst unsere gemeinsam mit TI-Deutschland entstellte Studie zur Geldwäschebekämpfung in vier Problembereiche, zehn illustrative Beispiele und 13 Lösungsvorschläge. Wenn man die kondensierten 20 Seiten und die vielen komplexen Details auf einen Satz verkürzen kann, dann vielleicht den: Wir müssen endlich entschlossen gegen anonyme Finanzflüsse vorgehen und zwar nicht nur gegen die Bargeldtüte des Straßendealers sondern vor allem gegen die Firmen und Bankkonten der Drogengroßhändler, korrupten Autokraten und den Milliardendieben aus den schicken Bürotürmen (Kali-Kartell und Cum-Ex lassen grüßen).
In Kürze
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- Das Forum Umwelt und Entwicklung breitet auf 156 Seiten zahlreiche Gesetzesvorschläge aus, mit denen Deutschland national und international die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung fördern kann.
5. Termine
18.10.2021 – 22.10.2021
Wohlstand für alle, geht das? Geld, Steuern und Reichtum verstehen. Ein Seminar von Arbeit und Leben Hamburg.
Mehr Infos und Anmeldung hier.
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