Gleich mehrere aktuelle Studien (Amazon, Uber, Microsoft, 8xTech in UK, ViacomCBS) zeigen – Gewinnverschiebung is alive and kicking. Vor diesem Hintergrund haben sich Rat und Europaparlament am 1. Juni auf einen Kompromiss zur länderbezogenen Berichterstattung geeinigt (unsere Einschätzung dazu hier). Am kommenden Wochenende verhandeln die G7 über eine „Steuerrevolution“. Und Deutschland verhandelt endlich ein lange überfälliges Steueroasenabwehrgesetz mit vier nationalen Maßnahmen, die Tochtergesellschaften in Steueroasen praktisch fast unmöglich machen. Grund genug, sich einmal über den Fortschritt zu freuen, und Zeit für die Frage, ob das Ende der Gewinnverschiebung jetzt in Sicht ist. Die Antwort ist leider – noch nicht.
Problem Nummer 1 ist die schwarze Liste der EU. Sie enthält keine der großen Steueroasen und die Länder auf der Liste sind für weniger als 2 % der Gewinnverschiebung verantwortlich. Trotzdem ist sie die Grundlage für das deutsche Steueroasenabwehrgesetz. Und auch die von der EU beschlossene Berichterstattung bezieht sich lediglich auf EU-Staaten und die Länder der schwarzen Liste und verdient damit den Namen „länderbezogen“ noch nicht wirklich. Problem Nummer 2 ist, dass die Steuerrevolution von Finanzminister Scholz ausgerufen und von der G7 verhandelt wird. Sehr wahrscheinlich wird es also eher eine Reform, mit einer zu niedrigen Mindestbesteuerung und wenig Verbesserung bei Komplexität und Verteilungsgerechtigkeit, die bisher – und sehr wahrscheinlich auch in Zukunft – die G7 und die großen OECD Staaten mit den Konzernsitzen der großen Multis bevorzugt.
Wir sind trotzdem gespannt darauf, was Amazon in seiner Berichterstattung als effektiven Steuersatz in Luxemburg ausweist (bisher ist das schwierig zu beurteilen, weil die verschiedenen luxemburgischen Töchter als Organschaft eine gemeinsam, nicht öffentliche Steuererklärung abgeben). Wir hoffen, dass Deutschland gemeinsam mit den USA und der G7 eine Mindeststeuer hinbekommt, die deutlich über dem kleinsten gemeinsamen Nenner mit Steueroasen wie Irland (12,5 %) liegt und dass die zu beschließende Bemessungsgrundlage dafür sorgt, dass Amazon die deutlich niedrigere Rate in Luxemburg nicht irgendwie schön rechnen kann. Und wir haben Vorschläge gemacht, wie das Steueroasenabwehrgesetz mit minimalen Änderungen deutlich effektiver werden könnte.
In Kürze:
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- Amazon-Urteil zeigt – das Verrechnungspreissystem ist im derzeitigen Zustand untragbar. Die EU-Kommission hat detailliert nachgewiesen, dass Amazon einen Großteil der Gewinne in eine steuerbefreite Briefkastengesellschaft ohne eigenes Personal oder Entscheidungskompetenz verschoben hat. Wenn dem Gericht das nicht als Nachweis reicht, muss etwas faul sein an der Rechtsgrundlage.
- Amazon-Studie zeigt – warum Amazon so wenig Steuern zahlt, ist in den öffentlich verfügbaren Dokumenten schwer nachvollziehbar. Die Studie wertet alle verfügbaren Informationen (inkl. der teuren kommerziellen Datenbanken) nach allen Regeln der Kunst aus und muss trotzdem viele Antworten schuldig bleiben.
- Amazon zum Anhören und Nachlesen in einem guten Beitrag vom Deutschlandfunk hier und hier
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- Letzter Versuch – African Tax Administration Forum plädiert für gerechtere Verteilung von Besteuerungsrechten durch Pillar 1. Sie schlagen vor, alle Unternehmen mit Umsatz über 250 Millionen Euro (anstatt die größten 100) einzubeziehen und alle Gewinne über einer Rentabilitätsgrenze (anstatt einen Teil der „residual profits“) umzuverteilen. Wahrscheinlich am Ende ohne großen Erfolg, aber eine klare Botschaft, dass auch mit BEPS 2.0 die internationalen Verhandlungen nicht zu Ende sein werden.
- Unternehmenssteuersenkungen führen nicht zu Wachstum. Das zeigt eine Metastudie von IMK und wiiw. Keine Neuigkeit, aber eine schöne Übersicht über die existierenden Studien und eine wichtige Erinnerung für die zu erwartenden Wahlkampfversprechen.
- Luxemburger Briefkästen in Gefahr: Wieso eine minimale Änderung im Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz zu großer Geschäftigkeit bei den Beratern der Luxemburger Briefkastenindustrie führt, beschreibt unser neuer Blog.
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