Panama Papiere: Während Schäuble seinen Aktionsplan feiert, plant Deutschland seine Transparenzregeln zum Firmeneigentum zu verwässern

Gemeinsame Presseerklärung
von Tax Justice Network und Netzwerk 
Steuergerechtigkeit Deutschland, 11. April 2016
Panama Papiere: Während
Schäuble seinen Aktionsplan feiert, plant Deutschland seine Transparenzregeln
zum Firmeneigentum zu verwässern
Inmitten des
offenbarten Chaos, das von geheimen Briefkastenfirmen ausgehen kann, sind die
EU-Staaten damit beschäftigt, ihre Transparenzerfordernisse über die Eigentümer
von Briefkastenfirmen in der 4. Geldwäscherichtlinie abzuschwächen.
Das
Tax Justice Network und das Netzwerk Steuergerechtigkeit Deutschland rufen die
Mitglieder des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung dazu auf, drei
schwerwiegende Versäumnisse der Vierten Europäischen Richtlinie zur
Geldwäschebekämpfung (2015/849) zu beheben. Die Richtlinie
gibt einen gemeinsamen europäischen Rahmen zur Prävention von Geldwäsche und
Terrorfinanzierung vor. Die Richtlinie soll bis Mitte 2017 EU-weit in Kraft
getreten sein. 
Sollte
dieses Regelwerk nicht verschärft werden, wird es in Europa einfacher werden, Briefkastenfirmen zu
missbrauchen – trotz des Aktionsplans von Schäuble. 
Der
gemeinsame rote Faden in den Panama Papers ist die Geheimhaltung, die es den Tätern
ermöglicht illegale Erträge aus Korruption, Steuerhinterziehung, Drogengeld und
vielem anderen zu waschen. Um der Strafverfolgung entgehen zu können sind diese
auf Verschleierung angewiesen – häufig indem sie sich Briefkastenfirmen, Trusts
und Stiftungen bedienen, die in den meisten Ländern weltweit verfügbar sind.
Vermittler wie Anwälte, Notare, Family Offices und Banken helfen dabei, diese
Strukturen zu errichten und zu verwalten. 
Im
Jahr 2005 (2005/60) enthielten die Regeln zur
Feststellung der Eigentümer von Offshore-Firmen, die in der Europäischen Union
Konten eröffnen oder Anteile und Immobilien erwerben wollen, auch Vorgaben um die
wahren Eigentümer dieser Offshore-Briefkastenfirmen zu identifizieren – die
bzw. den sogenannten „wirtschaftlichen“ Eigentümer.
Gemäß
den aktuell gültigen Regeln aus 2005 muss ein wirtschaftlicher Eigentümer in
der Europäischen Union die “natürliche Person” sein, welche die Rechtsperson
tatsächlich kontrolliert, ganz egal wie viele Schichten von Strohmännern,
Briefkastenfirmen oder Trusts zwischengeschaltet wurden (siehe Artikel 3.6, auf Seite 8). Eine Firma
aus Panama oder den Britischen Jungferninseln muss also ihre wahren
wirtschaftlichen Eigentümer den entsprechenden EU Banken, Anwälten und Notaren
gegenüber offenlegen. Verstöße gegen diese Pflicht (z.B. indem ein
Scheindirektor stattdessen eingetragen wird) werden sanktioniert und können
eine Straftat sein. 
Die
Europäische Union schlägt nun in ihren aktuellen Änderungsplänen der vierten
Anti-Geldwäscherichtlinie vor, eine Ausnahme zu dieser Pflicht für alle
Rechtspersonen einzuführen.
Dasselbe tut die deutsche Bundesregierung, in ihrem
Vorstoß zum sogenannten Transparenzregister.

Die
neuen Regeln enthalten eine Zweideutigkeit, die zum Missbrauch einladen und es
Banken, Notaren oder Anwälten erlauben wird, anstelle des echten
wirtschaftlichen Eigentümers „die natürliche(n) Person(en), die der
Führungsebene angehört/angehören“ einzutragen
(Artikel 3.6.a.ii, Seite 14).
Selbstverständlich
können diese “Personen der Führungsebene” Scheindirektoren sein
– das Brot und
Butter der Geheimhaltung: sie sind blickdichter Schutzschild zwischen dem
Unternehmen (und dessen Vermögenswerten) und den echten wirtschaftlichen
Eigentümern. Jeder einzelne dieser Scheindirektoren verwaltet („führt“)
manchmal tausende von Briefkastenfirmen – und unter den neuen Regeln dürfen
diese künftig in der ganzen Europäischen Union als wirtschaftliche Eigentümer
definiert werden. An dieser Aufweichung plant Schäuble auch im Aktionsplan
nichts zu ändern.
Darüber
hinaus enthält die vierte Anti-Geldwäscherichtlinie auch ein paar gute
Neuigkeiten: diese wird Register der wirtschaftlichen Eigentümer von
Briefkastenfirmen einführen. Im November 2014 jedoch hat die deutsche
Bundesregierung (gemeinsam mit Malta und Zypern) die verpflichtende Offenlegung
dieses Registers verhindert, gegen die fortschrittlicheren Haltungen der
Regierungen Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und Spaniens.
Veröffentlichung ist nur erlaubt, aber nicht verpflichtend. Großbritannien und
die Niederlande haben sich für ein öffentliches Register entschieden, aber
viele andere Regierungen, darunter die deutsche, wollen die Vermummung der
Firmen in Europa und in der Welt weiterhin dulden.
Schließlich
enthält die neue Richtlinie ein weiteres großes Schlupfloch: während Stiftungen
von der neuen verpflichtenden Registrierung der Eigentümer erfasst sind,
bleiben Trusts (die angelsächsischen Cousins der Stiftungen) außen vor. Wie am
7. April aufgedeckt wurde, setzte sich der britische Premier Cameron persönlich
2013 dafür ein, diese Offshore Trusts nicht offenzulegen. Diese Strukturen
können in ihrer Wirkung genauso oder noch schädlicher sein als Briefkastenfirmen.
Markus
Meinzer,
Vorstandsmitglied von TJN, sagte:
“Die
EU hat bereits vor, die Richtlinie im zweiten Quartal 2016 aufzuschnüren, um
die Regeln gegen Terrorfinanzierung nach den jüngsten, verheerenden Anschlägen
zu verschärfen. Das Ausmaß und System des Missbrauchs, die durch die Panama
Papers offenbar wurden, sollte genug Anlass geben, um der Richtlinie
entscheidende öffentliche Transparenz hinzuzufügen. Die wohlklingenden Worte
aus Schäubles Aktionsplan kollidieren frontal mit der Realität seiner Taten.
Warum scheut der Finanzminister die Öffentlichkeit der Register, und
legalisiert stattdessen die Nutzung von Scheindirektoren?“
Lisa
Großmann, Koordinatorin des Netzwerk Steuergerechtigkeit
, sagte:
“Die
aktuellen EU Pläne sind eine riesige vertane Chance und sie würden die
Auswirkungen des Schattenfinanzsystems in ganz Europa verschärfen. Wir müssen
unsere Politiker daran erinnern, dass die Bevölkerung öffentliche Transparenz
fordert, und nicht noch mehr von derselben institutionellen Korruption.“
Karl-Martin
Hentschel,
Vertreter von Attac im Koordinierungskreis Netzwerk
Steuergerechtigkeit, sagte:
“Warum
sollten wir vermummten Offshore-Investoren erlauben, die Integrität unserer
Volkswirtschaften zu untergraben? Wenn jemand eine Rechtsperson in Europa
errichten will, dann sollte klar sein wem sie gehört, so dass die
Kriminalpolizei ihre Arbeit tun kann.“
Liz
Nelson
, Vorstandsmitglied von TJN, sagte:
“Nach
den Panama Papers müssen wir uns von der naiven Vorstellung verabschieden, dass
anonyme, nicht-börsennotierte Firmen irgendeinem legitimen Zweck dienen. Diese
Briefkastenfirmen sind wie Waffen, und wenn wir ihre Produzenten nicht
kontrollieren können, dann müssen wir für eine lückenlose Kontrolle der
Eigentümer sorgen.“
John
Christensen,
Geschäftsführender Vorstand von TJN, sagte:
“Wir
haben immer gesagt dass jedes Register wirtschaftlicher Eigentümer
Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen umfassen muss. Andernfalls würde es
einfach zu einem Ansturm auf solche Konstrukte kommen, die nicht im
öffentlichen Register erfasst sind. Das ist keine höhere Mathematik.“
Kontakte:
Lisa
Großmann, Koordinatorin Netzwerk Steuergerechtigkeit: +
49 30 2758 2614
Karl-Martin
Hentschel:
+49 151 59084268
Markus
Meinzer:
+49 178 3405673
Liz
Nelson:
+44 7887 740798

Ein Kommentar

  • Sehr schön zusammengefaßt. Da platzt einem glatt die Birne und der Kragen. Ist das ein verlogenes Pack da in Berlin und Brüssel. Vielen Dank für Ihre Arbeit. Ich tue auch mein Bestes. Mal sehen, ob der Mist schrittweise zurückgeschraubt werden kann oder muß oder, ob es ein Großreinemachen in ziemlich kurzer Zeit, dafür aber mit mehr "Unterhaltungswert" wird. VG. Jörg Karkosch aus Magdeburg

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