Fallstudie 1 – Der Steuersatz der Milliardär*innen (Susanne Klatten)

Seit 1997 ist die deutsche Vermögensteuer ausgesetzt. Seit 2001 wurde die Steuer auf angesparte Unternehmensgewinne in mehreren Schritten etwa halbiert und die Steuer auf Spitzeneinkommen  gesenkt. Insgesamt wurde der effektive Steuersatz auf Vermögenseinkommen, die angehäuft statt privat vereinnahmt werden, mehr als halbiert und sank zum Beispiel für die über lange Zeit reichsten Deutschen, die BMW-Erb*innen Susanne Klatten und Stefan Quandt von mehr als sechzig Prozent auf weniger als dreißig Prozent.

Diese Steuersenkungen wurden vor allem mit zwei Argumenten begründet. Zum einen mit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im internationalen Vergleich und zum anderen mit der Hoffnung, dass die reinvestierten Gewinne für Wachstum und Arbeitsplätze sorgen. Oder etwas zugespitzt formuliert: Wenn es den Milliardären gut geht, geht es auch dem Land und seinen Bürgern gut. Seitdem sind mehr als zwanzig Jahre vergangen. Wie schon in den 90er Jahren fordern die großen Unternehmensverbände auch aktuell wieder weitere Steuersenkungen für Unternehmen und verweisen auf den Standortwettbewerb mit den USA und China. Höchste Zeit also einmal zurück zu schauen, die Steuersenkungen der Vergangenheit zu evaluieren und Lehren für die Gegenwart zu ziehen.

Statistische Analysen zur Wirkung der Steuersenkung können keinen positiven Zusammenhang zwischen Steuersenkungen und Wirtschaftswachstum belegen, hängen aber stark vom Kontext und den getroffenen Annahmen ab (Gechert und Heimberger, 2021). Deswegen und um die abstrakte Welt der Milliarden und der Volkswirtschaft für möglichst viele Menschen greifbar zu machen und ihnen zu ermöglichen, sich eine eigene Meinung zu bilden, nutzen wir konkrete Fallbeispiele. Die vorliegende Fallstudie soll ein erster Baustein in einer Reihe sein und als Diskussionsvorlage dienen. Dass wir als Netzwerk Steuergerechtigkeit eine klare Agenda verfolgen – nämlich ein gerechtes Steuersystem im Sinne der demokratischen Mehrheit – ist kein Geheimnis. Trotzdem oder gerade deswegen haben wir uns bemüht, ein möglichst facettenreiches und gut dokumentiertes Beispiel auszuwählen und pro und contra ausgewogen darzustellen. Wir freuen uns auf eine kontroverse Debatte.

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