Laut einer aktuellen ZEW-Studie profitieren Haushalte mit einem Jahreseinkommen unter 20.000€ durch Kindergrundsicherung und Mindestlohn am stärksten von den finanziellen Versprechen der Ampelkoalition – wenn das Bundesverfassungsgericht den verbliebenen Soli nicht kippt und damit die Steuern für Reiche durch die Hintertür senkt. Je nach Ausgestaltung und Soli-Entscheidung kosten die Reformen 17,6 Mrd. Euro oder bringen sogar bis zu 7,1 Mrd. Euro Zusatzeinnahmen. Vergleicht man das mit den Wahlprogrammen, ähnelt das sehr viel stärker den Plänen von Grünen und SPD (die seriös finanziert und auf kleine Einkommen ausgerichtet waren) als denen der FDP (die für große Finanzierungslücken gesorgt und vor allem hohe Einkommen entlastet hätten).
Trotzdem ist es bedauerlich, dass die Ampel wie erwartet, den allergrößten Teil des Umschichtungspotenzials von 75 bis 100 Milliarden Euro aus einem gerechteren und ökologischeren Steuersystem nicht hebt. Wie nötig das wäre, zeigen zwei ganz unterschiedliche Studien. Für die mit der Soli-Entscheidung anstehende Einkommenssteuerdebatte zeigt eine ifo-Studie, dass der effektive Durchschnittssteuersatz im Vergleich zu 1991 für alle Einkommensgruppen gestiegen ist, mit Ausnahme der Haushalte mit Einkommen über 200.000 Euro für die der Satz um fünf Prozentgesunken ist – und das wohlgemerkt nur bei der Einkommenssteuer und noch ohne all die neuen Steuerprivilegien für große Erbschaften, Vermögen und Vermögenseinkommen.
Mit einer ebenso wackeligen mathematischen Extrapolation der Reichenlisten zeigt ein Böckler-Impuls, wie wackelig die derzeitige, auf Umfragen basierende Schätzung der Vermögensverteilung ist, und kommt zu dem Ergebnis, dass das reichste Prozent möglicherweise nicht 20 Prozent und auch nicht 35 Prozent, sondern möglicherweise 55 Prozent der Vermögen besitzen.