Inhalt
1. Neues aus dem Netzwerk
2. Steuersystem: gerecht, sozial und ökologisch
Vermögen und Erbschaft:Der richtige Steuermix
Unternehmensteuern: Hundert – eine magische Zahl für Pillar 1?
Umwelt: Können die Steuerbehörden mehr und gerechteren Klimaschutz?
3. Steuerbehörden: gestärkt gegen Steuerhinterziehung
4. Internationales: Deutschland als Entwicklungshelfer oder Geldwäscheparadies
5. Termine
1. Neues aus dem Netzwerk
Liebe steuerpolitisch Interessierte,
mit Hochdruck arbeiten wir an unseren verschiedenen Projekten und Baustellen, bald stehen weitere Veröffentlichungen an:
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- Das Jahrbuch Steuergerechtigkeit ist in der Erstellungsphase (Veröffentlichung für Juni geplant), ab Mitte Mai wollen wir dazu eine kleine Crowdfunding-Kampagne durchführen.
- Wir erstellen drei teil-animierte Erklärungsvideos zum Thema Steuergerechtigkeit und Geldwäsche mit dem Schwerpunkt auf der internationalen Perspektive.
- Im Nachgang unserer Papiers zur Vermögensbesteuerung organisieren wir am 26. Mai eine Veranstaltung mit Gästen aus der Politik zur Frage, wie wir Vermögen nach der Krise endlich angemessen besteuern. Anmeldung hier.
- Wir erhalten zahlreiche Presseanfragen, kürzlich waren wir auch zu Gast im Podcast “Lage der Nation”. Eine Übersicht aller Artikel und Beiträge gibt es hier.
Vermögen und Erbschaft: Der richtige Steuermix
Der DGB hat sein Steuerkonzept für das Superwahljahr 2021 aktualisiert. Über eine Verschiebung der Steuerlast von niedrigen Einkommen auf Vermögen und Spitzeneinkommen sollen 95 % der Haushalte entlastet werden. Es gibt aber auch darüber hinaus zahlreiche konkrete Vorschläge, etwa zur Reform der Gewerbesteuer sowie die Abschaffung der Abgeltungsteuer für Kapitalerträge. Insbesondere über die Wiedereinführung einer Vermögensteuer schätzt der DGB die Mehreinnahmen durch die Umsetzung ihres Konzepts auf 60 Milliarden Euro.
Der Finanzausschuss des Bundestags hat Expert*innen zur Vermögensteuer angehört. Die spannenden Stellungnahmen sind hier samt Zusammenfassung einzusehen. Die FDP hatte beantragt, das Gesetz zur ausgesetzten Vermögensteuer ganz abzuschaffen. Diskutiert wurde neben der Problematik der Vermögensungleichheit – selbst während Corona haben die deutschen Milliardäre ihr Vermögen laut Forbes-Daten um 32 % steigern können – insbesondere, ob das Bundesgesetz aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebung die Länder davon abhalte, eigene Vermögensteuern zu erheben.
Die Erbschaftsangelegenheiten der Familie Thiele zeigen, wie hoch die Zusatzeinnahmen für den Staat sein können, wenn die Steuertricks der Vererbenden misslingen. Auf die Erben kommt wohl eine Rekord-Erbschaftsteuer von über fünf Milliarden Euro zu, da das Vermögen der kürzlich verstorbenen Eigentümers des Knorr-Bremsen erst nach seinem Tod in eine Familienstiftung überführt wurde. Zudem zeigt die Situation, dass selbst Rekorderbschaftsteuern nicht zu wirtschaftlichen Verwerfungen führen müssen. Aus Familienkreisen heißt es, man müsse keine Anteile veräußern, das Geld sei da.
Die AG Vermögen und Erbschaft hat die FAQ zu ihrem Vermögensbesteuerungskonzept um einige Details zum lebenslangen Freibetrag der Erbschaftsteuer ergänzt. Das Konzept wird am 26. Mai von 14 bis 16 Uhr in einer Online-Veranstaltungen mit Parteienvertreter*innen diskutiert. Details und Anmeldung hier.
Unternehmensteuern: Hundert – eine magische Zahl für Pillar 1?
Die Vorschläge der neuen US-Regierung zur Unternehmenssteuerreform nehmen Form an. Während Pillar 1 (und die Digitalkonzerne) im „Made in America Tax Plan“ nicht vorkommt, berichtete TaxNotes jüngst von einer Präsentation der USA zu Pillar 1 vor dem IFF-Steering Committee. Darin schlagen die USA eine radikale Vereinfachung vor, nämlich eine Anwendung auf die 100 profitabelsten Unternehmen ohne Rücksicht aufs Geschäftsmodell, und ein Umverteilungsmodell, dass das politisch gewünschte Ergebnis (z.B. $100 Milliarden wie von der OECD prognostiziert) erreicht. Parallel dazu gibt es zum vorgeschlagenen Steuersatz von Pillar 2 von 21 % erste Zweifel – Würde der US-Senat einer Mindeststeuer zustimmen, die über dem internationalen Niveau liegt und damit US-Unternehmen benachteiligt? Oder ist das gar nicht nötig, weil Deutschland und Frankreich signalisiert haben, den höheren Satz zu unterstützen und ggf. gegen Irland durchzusetzen? Gelingt es nicht nur einen einheitlichen Satz, sondern auch eine einigermaßen einheitliche Bemessungsgrundlage hinzubekommen? Die Verhandlungen bleiben spannend, die Hinweise, dass es sich um eine historische Chance handelt mehren sich, Irland besteht auf seiner Steuerrate von 12,5 % und Pascal St. Amans macht erste Andeutung, dass am Ende doch der G20-Gipfel im Oktober entscheiden könnte. Mehr dazu in den kommenden Monaten…
Umwelt: Können die Steuerbehörden zu mehr und gerechteren Klimaschutz beitragen?
Mit seinem aktuellen Urteil hat das Bundesverfassungsgericht neue Betriebsamkeit beim Klimaschutz hervorgerufen. Die Grünen forderten daraufhin eine Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro bis 2023 anstatt 55 Euro bis 2026 begleitet durch einen sozialen Ausgleich. Eine Klimaprämie wäre dafür aus mehreren Gründen ein gutes Instrument – argumentiert z.B. Dr. Sebastian Gechert – sie wäre definitiv sichtbarer als eine Absenkung der EEG-Umlage. Auch die Rechenbeispiele für eine gerechte CO2-Steuer von 60€ von Brigitte Knopf kommen ohne eine Rückerstattung nicht aus (Durchschnitts-Stadt-Familie zahlt 477€, bekommt 648€). Aber die Klimaprämie könnte – ähnlich wie die schnelle und gezielte Auszahlung der Corona-Beihilfen – daran scheitern, dass es in den deutschen Steuerbehörden dafür nicht die passenden Daten, Strukturen und Kapazitäten gibt – meint Stefan Bach. Dass die Klimaprämie nicht das Allheilmittel ist, zeigt eine spannende Studie aus Österreich – ganz ohne Aufstockung der Hilfen für die ärmsten, die ihr Verhalten nicht ohne weiteres anpassen können, weil sie in einer schlecht gedämmten Mietwohnung oder ohne ÖPNV Anbindung auf dem Land wohnen, wird es nicht gehen. Wir hören weiter zu und lernen, hoffentlich bald für einen neuen Themenschwerpunkt…
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- Amazon EU Sarl bekommt für 2020 eine Steuergutschrift – Die luxemburgische Gesellschaft über die die meisten deutschen Geschäfte laufen, macht 2020 trotz großer Umsatzsteigerung einen Verlust. Etwa ein Viertel der Einnahmen verschwindet in der Kategorie External Costs zu denen sich im Abschluss nur diese eine Satz findet: „Other external expenses are related to the operations of the Company, including provision of services from affiliated undertakings.“ – Die Gewinnverschiebung lässt grüßen.
- In einer Anhörung zur Umsetzung der EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie ging es im Finanzausschuss des Bundestages u.a. um eine zweite Chance für den Mechanismus gegen die (nicht nur) bei Immobilieninvestoren beliebte Gewinnverschiebung durch firmeninterne Kredite
- Im Europaparlament war die Vorsitzende der Code of Conduct Group geladen und hat mehr Transparenz und einen neuen Bewertungsmechanismus, aber keine grundlegende Governance Reform versprochen
3. Steuerbehörden: gestärkt gegen Steuerhinterziehung
Die Hauptverhandlung der Revision des ersten Cum-Ex-Prozesses am Bundesgerichtshof beginnt am 12. Juni. Alle Parteien hatten Revision eingelegt. Mit einer Bestätigung des Bonner Urteils könnte der Bundesgerichtshof als letzte Rechtsinstanz bestätigen, dass Cum-Ex-Geschäfte nachweisbar und strafrechtlich effektiv zu verfolgen sind. In Bonn steht währenddessen das zweite Verfahren vor dem Abschluss und könnte mit einer ersten Gefängnisstrafe enden. Massimo Bognanni berichtet wie gewohnt als rasender Reporter direkt von vor Ort. Das Handelsblatt zählt derweil die zahlreichen Verstrickungen der HypoVereinbank in Cum-Ex-Geschäfte auf, deren Mitarbeiter sich im weiteren momentan laufenden Cum-Ex-Verfahren verantworten müssen.
In Hamburg wurde Olaf Scholz erstmals vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss als Zeuge befragt. Leider konnte er sich an keinerlei Details erinnern und wollte auch nicht darüber spekulieren, warum er den Warburg-Vorstand Christian Olearius nach einem ersten Treffen nicht nur kurz später ohne weitere Zeugen getroffen, sondern ihn zusätzlich auf sein Mobiltelefon angerufen hat. Der wohl zentrale Cum-Ex-Journalist Oliver Schröm spricht in seiner Presseschau von einer seltenen Einigkeit in der (negativen) Bewertung der Aussagen von Scholz.
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag schlüsselt das Bundesministerium der Finanzen die Personalentwicklung in der Finanzverwaltung auf. Die großen Trends setzen sich weiter fort: Das BZSt wächst, während die Länderverwaltungen schrumpfen. Die Anzahl der Betriebsprüfer ist auf beiden Ebenen gesunken. Diese Entwicklung wirkte sich wohl zusammen mit Einschränkungen der Arbeit durch Corona dann auch auf die bereits desaströsen Prüfquoten bei Großunternehmen sowie Steuerpflichtigen mit bedeutenden Einkünften aus. Gerade bei den bE-Fällen ist der Abfall der Prüfquote von 15% in 2013 auf den kontinuierlich weiter fallenden historischen Tiefstand von nunmehr 6,0% in 2020. Besonders bedenklich ist zudem die steigende Anzahl unbesetzter Planstellen auf beiden Ebenen. Im BZSt sind ganze 15 Prozent der Stellen unbesetzt. Insgesamt zeichnet das Papier ein düsteres Bild der Entwicklung der deutschen Finanzverwaltung.
In Kürze:
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- Laut einer Umfrage von Capital bei den Länderverwaltungen wurden mittlerweile zumindest 1,4 Milliarden Euro an zu Unrecht erstatteten Steuern aus Cum-Ex-Geschäften zurückgezahlt
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4. Internationales: Deutschland als Entwicklungshelfer oder Geldwäscheparadies
Das UN-Forum zur Entwicklungsfinanzierung 2021 hat wenig konkrete Beschlüsse gebracht, um den Globalen Süden bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie und seiner Folgen signifikant zu unterstützen. Wie Bodo Ellmers ausführt, liegt damit die Verantwortung nun bei Follow-Up-Prozessen, das Abschlussdokument zum Leben zu erwecken. Bemerkenswert: In seiner Ansprache an das Forum mahnte der UN-Generalsekretär angesichts großen Vermögenszuwächse der Superreichen eine Solidaritätssteuer oder Vermögensteuer für diejenigen an, die von der Pandemie profitiert haben. Durch solche Steuern solle extreme Ungleichheit verringert werden. Wolfgang Pomrehn bietet eine deutsche Zusammenfassung der Rede.[1]
In Kürze:
Bei der Anhörung zum Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz im Finanzausschuss des Bundestags bestand weitgehende Einigkeit: Die bestehenden Register sollten digitalisiert und automatisch mit dem Transparenzregister verknüpft werden, weil a) Die Notare sowie die meisten Gesellschafterlisten und Dokumente schon maschinenlesbar einreichen b) es den 600.000 Vereinen (und den vielen Unternehmen) wiederholte Doppelarbeit bei der Eintragung des neuen Vorstands ersparen würden und c) das sonst (wie bisher schon) kommerzielle Anbieter übernehmen, die die Daten dann für teures Geld an die Behörden zurückverkaufen
In Kürze:
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- Die Tax Inspectors Without Borders, eine Initiative von OECD und UNDP, haben mit ihren internationalen Steuerkooperationsprogrammen die Grenze von einer Milliarde Mehreinnahmen für Entwicklungsländer überschritten
- Die neue Vermögensteuer in Bolivien hat doppelt so hohe Einnahmen generiert wie geplant (32 Millionen US-Dollar von 203 Multimillionären)
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5. Termine
Für die Teilnahme an AGs bitte anmelden unter info@netzwerk-steuergerechtigkeit.de
20.05.2021, 18:00 Uhr
Kommunen in der Konjunkturkrise. Organisiert vom Institut für Finanzen und Steuern. Mit Prof. Dr. Hans-Günter Henneke (Deutscher Landkreistag) und Prof. Dr. Christian Waldhoff (HU Berlin).
Zugangslink: siehe Homepage kurz vorher.
26.05.2021, 14:00-16:00 Uhr
Diskussionsveranstaltung: Wie wir Vermögen nach der Krise endlich angemessen besteuern. Veranstaltung des Netzwerk Steuergerechtigkeit mit Sebastian Brehm (CSU), Cansel Kiziltepe (SPD), Lisa Paus (Grüne) und Axel Troost (Linke).
Anmeldung hier.
31.05.2021, 18:00 Uhr
Was bringt eine Vermögensabgabe/(-steuer)? Organisiert vom Institut für Finanzen und Steuern. Mit Prof. Dr. Gregor Kirchhof (Universität Augsburg), Prof. Dr. Christine Osterloh-Konrad (Universität Tübingen), Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane (Universität Paderborn) und Prof. Dr. Joachim Wieland (Universität Speyer).
Zugangslink: siehe Homepage kurz vorher.
04.06.2021, 18:00 bis 21:00 Uhr in Berlin
Stadführung mit Christoph Trautvetter: Wem gehört eigentlich der Prenzlauer Berg? Organisiert von Helle Panke e.V. und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin. Welche Eigentümertypen (Genossenschaften, Aktiengesellschaften, die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, private Hausbesitzer) gibt es in Berlin? In welchen Verhältnis stehen diese zueinander? Und was für Folgen entstehen daraus für Wohnungs- und Gewerbemieter? Wir wollen uns diese Eigentumsverhältnisse vor unser Haustür im Prenzlauer Berg anschauen und dabei lernen, wie der Berliner Immobilienmarkt aufgeteilt ist.
Mehr Infos und Anmeldung hier.
18.10.2021-22.10.2021
Wohlstand für alle, geht das? Geld, Steuern und Reichtum verstehen. Ein Seminar von Arbeit und Leben Hamburg.
Mehr Infos und Anmeldung hier.