Als oberste Behörde für tausende Zoll- und Steuerfahnder, Betriebsprüfer und Geldwäscheaufseher ist das Bundesfinanzministerium die Schaltstelle für die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität – oder sollte es zumindest sein. Cum-Ex und Wirecard haben wahrscheinlich ihren Teil dazu beigetragen, dass die Ampel jetzt verspricht: „Das strategische Vorgehen gegen Steuerhinterziehung, Finanzmarktkriminalität und Geldwäsche werden wir im Bundesfinanzministerium organisatorisch und personell stärken.“ Digitalisierung und Entbürokratisierung stehen angesichts des FDP-Ministers wohl ebenfalls im Vordergrund.
Gegen Umsatzsteuerbetrug soll ein elektronischen Meldesystem für Rechnungen eingeführt werden. Bezüglich „missbräuchlicher Dividendenarbitragegeschäfte“ wie Cum-Cum nennt der Koalitionsvertrag technische Möglichkeiten wie Blockchain – wohl zur Nachvollziehbarkeit von Aktientransaktionen – und den Austausch zwischen Finanzaufsicht und Steuerbehörden. Was sich sonst noch alles ändern müsste, damit die Steuerbehörden für eine gleichmäßige und damit gerechte Durchsetzung der Steuergesetze sorgen können, haben wir in 10 Empfehlungen zur Diskussion gestellt.
In einem ausführlichen Artikel geben wir einen Überblick über den Stand der Aufarbeitung von Cum-Ex & Co. sowie die politische Verhinderung weiterer steuergetriebener Geschäfte mit der Kapitalertragsteuer. Unser Fazit: Licht und Schatten. Gerade die strafrechtliche Aufklärung mit erfolgreichen Verfahren gegen teils hochrangige Bankiers lässt hoffen, dass Cum-Ex eine Zäsur im Hinblick auf Verantwortung innerhalb der Finanzbranche für kriminelle Handlungen sein kann. Kürzlich scheiterte auch der letzte Versuch der Warburg-Bank, das erste vom Bundesgerichtshof bestätigte Cum-Ex-Urteil durch eine Verfassungsklage noch zu revidieren. Zudem wird der Cum-Ex-Hintermann Hanno Berger nun wohl definitiv aus der Schweiz nach Deutschland ausgeliefert werden – denn auch die Entziehung seines Reisepasses wurde nun vom Verwaltungsgericht Berlin als rechtsgültig festgestellt (Revision möglich).
Andererseits ist es ein Skandal im Skandal, dass weiterhin Mutationen der mittlerweile verbotenen Cum-Ex- und Cum-Cum-Modelle möglich sind und den deutschen Fiskus weiterhin belasten – und das Bundesfinanzministerium wohl weiterhin das Ausmaß des Problems gar nicht erst kennt. Der Finanzprofessor Christoph Spengel hat seine Schätzung von Steuerschäden durch Cum-Cum aus dem Jahr 2016 von 24,6 auf 28,5 Milliarden Euro nach oben korrigiert (jetzt 2000-2020), die Schäden durch als Cum-Fake bekannt gewordene Geschäfte schätzt er auf 224 Millionen seit 2009.