+++Vermögen der Milliardäre explodiert trotz Pandemie, OECD empfiehlt Erbschaftsteuer+++EU Richtlinie zu öffentlich länderbezogener Berichterstattung beschlossen, Ende der Gewinnverschiebung noch nicht in Sicht+++Mehr Personal und weitere Strafe gegen Cum-Ex Profiteure+++Steuerhinterziehung made in Isle of Man+++Digitalisierung der Register für wirtschaftliche Berechtigte scheitert+++Globale Einkommen wachsen weiter zusammen, innerhalb der Ländern steigt Ungleichheit+++
Vermögen der Milliardäre explodiert trotz Pandemie, OECD empfiehlt Erbschaftsteuer
Die Pandemie hat nur eine kleine Gruppe, sie systematisch profitiert – und das sind die Milliardäre. So fasst Marcel Fratzscher auf Twitter einen Artikel der Financial Times mit vielfältiger Analyse des globalen Wachstums von Superreichtum in Zeiten der Pandemie zusammen. Spannend ist die Analyse in Bezug auf den Globalen Süden: Dort sind die Vermögen der Milliardäre seit 2020 um eine größere Summe gestiegen als die gesamten Fiskalmaßnahmen als Reaktion auf die Pandemie. Für die deutsche Diskussion ist der globale Vergleich von den nationalen Eigenheiten von Superreichtum interessant: Deutschland sticht beispielsweise insofern hervor, dass besonders große Teile der Großvermögen vererbt wurden.
Passend dazu hat die OECD eine neue Publikation zu Erbschaftsteuern veröffentlicht. Sie empfiehlt eine Erhöhung um Einnahmen zu generieren und der wachsenden Vermögensungleichheit entgegenzuwirken. Neben vielen anderen Gründen finden die Autoren sogar positive Effekte für die Erben. Bisher bleiben die Steuern in der OECD wegen ihrer Gestaltung aber oft „unter ihrem Potenzial“, zitiert Spiegel Online Pascal Saint-Amans von der OECD. Die Publikation empfiehlt deswen einen Fokus auf die höchsten Transfers und die Besteuerung der Empfänger.
In Kürze:
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- Wiebke Johanning von der Bewegungsstiftung beschreibt den steigenden zivilgesellschaftlichen Druck vor der Bundestagswahl, Reichtum umzuverteilen
- Die zukünftige Millionenerbin Marlene Engelhorn begründet in einem lesenswerten Interview ihren Aktivismus für Vermögensbesteuerung im österreichischen Kontext
- Wer unsere Diskussionsveranstaltung zu Vermögensbesteuerung am 26.05.2021 verpasst hat, kann sie hier anschauen.
Unternehmensteuern: Das Ende der Gewinnverschiebung in Sicht?
Gleich mehrere aktuelle Studien (Amazon, Uber, Microsoft, 8xTech in UK, ViacomCBS) zeigen – Gewinnverschiebung is alive and kicking. Vor diesem Hintergrund haben sich Rat und Europaparlament am 1. Juni auf einen Kompromiss zur länderbezogenen Berichterstattung geeinigt (unsere Einschätzung dazu hier). Am kommenden Wochenende verhandeln die G7 über eine „Steuerrevolution“. Und Deutschland verhandelt endlich ein lange überfälliges Steueroasenabwehrgesetz mit vier nationalen Maßnahmen, die Tochtergesellschaften in Steueroasen praktisch fast unmöglich machen. Grund genug, sich einmal über den Fortschritt zu freuen, und Zeit für die Frage, ob das Ende der Gewinnverschiebung jetzt in Sicht ist. Die Antwort ist leider – noch nicht.
Problem Nummer 1 ist die schwarze Liste der EU. Sie enthält keine der großen Steueroasen und die Länder auf der Liste sind für weniger als 2 % der Gewinnverschiebung verantwortlich. Trotzdem ist sie die Grundlage für das deutsche Steueroasenabwehrgesetz. Und auch die von der EU beschlossene Berichterstattung bezieht sich lediglich auf EU-Staaten und die Länder der schwarzen Liste und verdient damit den Namen „länderbezogen“ noch nicht wirklich. Problem Nummer 2 ist, dass die Steuerrevolution von Finanzminister Scholz ausgerufen und von der G7 verhandelt wird. Sehr wahrscheinlich wird es also eher eine Reform, mit einer zu niedrigen Mindestbesteuerung und wenig Verbesserung bei Komplexität und Verteilungsgerechtigkeit, die bisher – und sehr wahrscheinlich auch in Zukunft – die G7 und die großen OECD Staaten mit den Konzernsitzen der großen Multis bevorzugt.
Wir sind trotzdem gespannt darauf, was Amazon in seiner Berichterstattung als effektiven Steuersatz in Luxemburg ausweist (bisher ist das schwierig zu beurteilen, weil die verschiedenen luxemburgischen Töchter als Organschaft eine gemeinsam, nicht öffentliche Steuererklärung abgeben). Wir hoffen, dass Deutschland gemeinsam mit den USA und der G7 eine Mindeststeuer hinbekommt, die deutlich über dem kleinsten gemeinsamen Nenner mit Steueroasen wie Irland (12,5 %) liegt und dass die zu beschließende Bemessungsgrundlage dafür sorgt, dass Amazon die deutlich niedrigere Rate in Luxemburg nicht irgendwie schön rechnen kann. Und wir haben Vorschläge gemacht, wie das Steueroasenabwehrgesetz mit minimalen Änderungen deutlich effektiver werden könnte.
In Kürze:
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- Amazon-Urteil zeigt – das Verrechnungspreissystem ist im derzeitigen Zustand untragbar. Die EU-Kommission hat detailliert nachgewiesen, dass Amazon einen Großteil der Gewinne in eine steuerbefreite Briefkastengesellschaft ohne eigenes Personal oder Entscheidungskompetenz verschoben hat. Wenn dem Gericht das nicht als Nachweis reicht, muss etwas faul sein an der Rechtsgrundlage.
- Amazon-Studie zeigt – warum Amazon so wenig Steuern zahlt, ist in den öffentlich verfügbaren Dokumenten schwer nachvollziehbar. Die Studie wertet alle verfügbaren Informationen (inkl. der teuren kommerziellen Datenbanken) nach allen Regeln der Kunst aus und muss trotzdem viele Antworten schuldig bleiben.
- Amazon zum Anhören und Nachlesen in einem guten Beitrag vom Deutschlandfunk hier und hier
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- Letzter Versuch – African Tax Administration Forum plädiert für gerechtere Verteilung von Besteuerungsrechten durch Pillar 1. Sie schlagen vor, alle Unternehmen mit Umsatz über 250 Millionen Euro (anstatt die größten 100) einzubeziehen und alle Gewinne über einer Rentabilitätsgrenze (anstatt einen Teil der „residual profits“) umzuverteilen. Wahrscheinlich am Ende ohne großen Erfolg, aber eine klare Botschaft, dass auch mit BEPS 2.0 die internationalen Verhandlungen nicht zu Ende sein werden.
- Unternehmenssteuersenkungen führen nicht zu Wachstum. Das zeigt eine Metastudie von IMK und wiiw. Keine Neuigkeit, aber eine schöne Übersicht über die existierenden Studien und eine wichtige Erinnerung für die zu erwartenden Wahlkampfversprechen.
- Luxemburger Briefkästen in Gefahr: Wieso eine minimale Änderung im Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz zu großer Geschäftigkeit bei den Beratern der Luxemburger Briefkastenindustrie führt, beschreibt unser neuer Blog.
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[Steuerbehörden: gestärkt gegen Steuerhinterziehung]
Mehr Personal und weitere Strafe gegen Cum-Ex Profiteure
Nach langem Druck stockt die Landesregierung von NRW die Planstellen zur Aufklärung der Cum-Ex-Geschäfte endlich um ganze 148% auf. Unterdessen ist im zweiten Cum-Ex-Fall am Bonner Landgericht das Urteil ergangen: Der ehemalige Manager der Warburg Bank wurde wegen schwerer Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig – und auch das erste Bonner Urteil gegen zwei britische Aktienhändler steht am 15. Juni erstmals auf dem Prüfstand durch den Bundesgerichtshof.
Steuerhinterziehung made in Isle of Man
Eine neue Studie untersucht die Welt der Schattenfinanzplätze auf Basis von geleakten Daten der Cayman National Bank von der Isle of Man. Es ist mittlerweile die dritte Studie, die zeigt: umso reicher die Menschen werden umso höher wird der Anteil der Steuerhinterziehung und des Geldes in Schattenfinanzplätzen. Politisch exponierte Personen hatten besonders hohe Einlagen. Nur 25 % der Bankeinlagen wurden im Rahmen des internationalen Informationsaustauschs gemeldet und die vierteljährlichen Berichte für die locational banking statistics der Bank for International Settlements waren wenig aussagekräftig. Signifikante Summen an Auslandsvermögen in Schattenfinanzplätzen bleiben also aus recht- oder unrechtmäßigen Gründen anonym und werden statistisch falsch erfasst.
In Kürze:
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- EY entkommt gegen eine niedrige zweistellige Millionenzahlung den Schadensersatzforderungen des Maple-Insolvenzverwalters, unter anderem wegen Hilfe bei der Erstellung falscher Steuerbescheinigungen für vermeintliche Kapitalertragsteuerzahlungen durch Cum-Ex-Transaktionen
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Geldwäsche: Digitalisierung der Register droht zu scheitern
Die letzten Verhandlungen sind zwar noch nicht abgeschlossen, aber es zeichnet sich deutlich ab: Die vom Bundesrat und von vielen Experten geforderte „Once-Only“ Lösung für die Registrierung wird es vorerst nicht geben. Vielleicht hilft ja die Vergleichsstudie von Transparency International für eine nächste Reform. Die Studie zeigt: Zur Deadline der aktuellen Reform am 31.12.2022 wird Deutschland eines der letzten der zehn Länder, die trotz Verpflichtung zum 1.1.2020 kein vollständiges und öffentlich zugängliches Register eingerichtet hatten. Dänemark und Litauen bieten schon heute einen kompletten digitalen Datenzugang, Frankreich, Polen und Bulgarien zumindest die kostenlose Namenssuche für alle. Für Deutschland bleibt das Zukunftsmusik.
In Kürze:
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- FIU zurück zum BKA? Das schlägt zumindest der bayrische Innenminister vor. Dass Reformen nötig sind, steht außer Frage. Ob ein erneutes Hin- und Herschieben hilft, die strukturellen Probleme bei der Geldwäschebekämpfung (die es auch schon gab als die FIU noch beim BKA war) zu lösen, ist aber fraglich. Unsere Vorschläge folgen demnächst…
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- Wie anonym ist Krypto und wie viel Steuern werden hinterzogen? Vor kurzem hatte der Chef der US-Steuerbehörde IRS das Ausmaß der Steuerhinterziehung durch Krypto auf etwa 1 Milliarde Euro geschätzt. Jetzt hat die Behörde gehandelt und wegen des Verdachts auf Geldwäsche und Steuerhinterziehung ein Auskunftsersuchen an eine Handelsplattform (Binance) gestellt. Dass dabei die meisten Benutzer nicht mehr anonym bleiben dürften und dass das auch in Deutschland möglich wäre, argumentiert dieser Artikel.
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Ungleichheit bedroht Menschenrechte aber erlaubt lokale Vermögensbesteuerung
Eine neue Studie stellt nun final fest, was wir bereits in einem älteren Blogbeitrag besprochen hatten: Global wachsen die Einkommen seit den 1990er-Jahren zusammen, da (fast alle) Entwicklungs- und Schwellenländer in den letzten Jahrzehnten stärker gewachsen sind als die Industriestaaten im Globalen Norden. China war durch sein Wachstum gemeinsam mit der großen Bevölkerung lange ein Treiber dieses Prozesses, aber es ist klar, dass mittlerweile viele andere Länder nachziehen. Da China nach Jahren des Wachstums lange nicht mehr zu den ärmsten Ländern gehört, hat sein Wachstum auch keinen starken Einfluss mehr auf die globale Einkommensungleichheit. Diese Rolle des großen Treibers muss in Zukunft vom zweitbevölkerungsreichsten Staat der Welt, Indien, übernommen werden. Wie wir auch schon in unserem Blogbeitrag betont hatten: Trotz statistischen Zusammenwachsens gibt es viele Menschen am unteren Ende der globalen Einkommensverteilung, besonders in einigen stagnierenden Ländern Afrikas, deren Einkommen kaum gewachsen sind. Und auch an der Spitze ist kein Zusammenwachsen in Sicht, denn die Superreichen ziehen allen davon.
Vermögensungleichheit ist in Ländern des Globalen Südens oft besonders hoch. Am Extrembeispiel in Bezug auf Ungleichheit, Südafrika, zeigen Aroop Chatterjee, Léo Czajka und Amory Gethin, dass eine Vermögensteuer, die nur das reichste Prozent belastet, signifikante Steuereinnahmen generieren könnte. In Südafrika besitzen die Top 1 % fast 55 % des Gesamtvermögens. Selbst eine moderate progressive Vermögensteuer von 1-3 % könnte angesichts dieser Ungleichheit Einnahmen in Höhe von 1,5 % des BIPs in die Kassen spülen. Für das Szenario einer hohen Vermögensteuer mit 3-9 % könnten die Einnahmen fast die gesamten jährlichen Zinskosten gegenfinanzieren.
Die Unterschiede zwischen Globalem Norden und Globalem Süden bei ihren Maßnahmen gegen Covid und den Folgen, die die Pandemie hat, sind enorm. Armut und Schulden steigen im Globalen Süden stark an. Ignacio Saiz argumentiert: „So wie demokratischer Spielraum eine notwendige Voraussetzung für die Ausübung der Rechte auf bürgerliche und politische Teilhabe ist, so ist finanzpolitischer Spielraum für Staaten unerlässlich, um die materiellen Bedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen in Würde leben und ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte in vollem Umfang wahrnehmen können. Die Einschränkung des finanzpolitischen Spielraums in ärmeren Ländern durch die derzeitige Schulden- und Steuerpolitik ist eine systemische Bedrohung der Menschenrechte, insbesondere im Kontext von COVID-19.“ Daher müssen die internationale Schulden- und Steuerpolitik endlich stärker die Einnahmen von Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen in den Fokus nehmen.
4. Termine
03.06.-06.06, 20:15 Uhr (tägliche Aufführung)
Das Theaterstück „Tax for free – Scholz und Tschentscher geben einen aus und Michael Kohlhaas wundert sich“ erzählt die Chronik eines politischen Skandals: Der Stadtstaat Hamburg fordert 2016 von der Privatbank M.M. Warburg & CO 47 Millionen Euro Steuergeld zurück. Dieser Betrag wurde mutmaßlich durch Cum-Ex-Geschäftezu Unrecht vom Fiskus erstattet. Dann jedoch trifft sich der Mitinhaberder Bank mit dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz. Innerhalb weniger Tage entscheidet sich die Finanzbehörde unter Senator Peter Tschentscherdazu, auf die Erstattung zu verzichten. Was damals besprochen wurde, will heute keiner mehr wissen.
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16.06.2021 – 17.06.2021
17. Internationale Geldwäsche Tagung: Auch die 17. Internationale Anti-Geldwäsche-Tagung muss noch einmal als Online-Tagung stattfinden. Nichtsdestotroz wird ein umfassendes Update zu vielen aktuellen Entwicklungen im Bereich der Geldwäscheprävention und Verhinderung der Terrorismusfinanzierung über Landesgrenzen hinweg gegeben.
Mehr Infos und Anmeldung hier.
18.10.2021 – 22.10.2021
Wohlstand für alle, geht das? Geld, Steuern und Reichtum verstehen. Ein Seminar von Arbeit und Leben Hamburg.
Mehr Infos und Anmeldung hier.
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