Effektive Sanktionen gegen Oligarchen statt gegen die normale Bevölkerung

(Empfehlungen für die Durchsetzung der Sanktionen mit einem Beispiel finden Sie am Ende des Beitrags und ausführlicher hier)

Updates vom 14.4.

Die Task Force hat einen ersten Erfolg zu vermelden: Das BKA hat die Eigentümerin der “Dilbar” gefunden und die Jacht eingefroren.

Im internationalen Vergleich steht Deutschland damit zumindest wertmäßig nicht so schlecht da. Zum Wert der Jacht von etwa 600 Millionen Euro kommen etwa 125 Millionen Euro auf eingefrorenen Konten. Die Niederlande haben 516 Millionen Euro eingefroren (von etwa 40 Milliarden Euro laut Regierung) und hat erst letzten Montag den ehemaligen Außenminister Blok zum Sanktionskoordinator ernannt. Frankreich hat bereits mehr als 40 Immobilien identifiziert und veröffentlicht sogar eine Liste, kommt aber – ohne die 23 Milliarden Euro der Zentralbank – nur auf etwa 1 Milliarde Euro. Besser sind die Schweiz mit mehr als 7 Milliarden Euro (von geschätzt 230 Milliarden Euro russischen Bankguthaben), Luxemburg und Belgien mit etwa 3 Milliarden Euro (und der Hilfe der dort ansässigen Euroclear und Clearstream, die den Geschäftsverkehr im europäischen Finanzmarkt kontrollieren), Jersey mit 7 Milliarden Dollar nur von Abramovich und Großbritannien mit angeblich 150 Milliarden Pfund von russischen Oligarchen und 500 Milliarden Pfund von russischen Banken.

Damit Sanktionsdurchsetzung in Zukunft nicht nur in Einzelfällen, sondern systematisch passiert, will die Bundesregierung noch vor der Sommerpause ein Sanktionsdurchsetzungsgesetz vorlegen, das die Behörden zu solchen Ermittlungen ermächtigt. Und auch die EU soll nach Wunsch einiger Mitgliedsstaaten einen entsprechenden Auftrag und vielleicht sogar eine eigene Behörde bekommen. Ob das deutsche Gesetz die Behörden auch ermächtigen wird, Daten über Immobilieneigentümer aus dem Grundbuch mit anderen Registern und Daten zu verknüpfen um Vermögen verdächtiger Herkunft zu identifizieren ist bisher unklar. Laut Task Force fehlt dafür bisher die Rechtsgrundlage und die Behörden können deswegen nur reaktiv tätig werden, wenn sie von Presse, Banken oder ausländisches Behörden einen eindeutigen Anfangsverdacht geliefert bekommen, der die standardmäßige Verschleierung genau dieses Anfangsverdachts durch professionelle Geldwäsche für sie schon offenlegt.

Seit 12.4. beteiligt sich auch Europol mit einer eigenen Taskforce (“Oscar“) an der Suche.

Updates vom 4.4.

Mittlerweile gibt es erste Zahlen zu eingefrorenem Vermögen. Die eigentliche Suche hat in Deutschland noch nicht begonnen.

  • Kilian Wegner, Mohamad Al-Gazi und Till Zimmermann beschreiben, wie ein Such- und Einziehungsauftrag für Vermögen unerkannter und verdächtiger Herkunft aussehen und umgesetzt werden müsste. Besonders spannend: Sie beschreiben mehrere Anknüpfungspunkte im deutschen Recht (lto, 1.4.2022)
  • Die deutsche Task Force hat sich bei ihrem zweiten Meeting auf Leitungspersonal verständigt und das ist erfreulich Ermittler-nah (BMWK, 24.3.), aber nach einem Monat sind sie über eine Zustandsbeschreibung noch nicht hinaus gekommen – und betonen noch dazu eine vor allem in Hinblick auf Yachten und Villen durchaus strittige Sichtweise: “private Verwendung ist grundsätzlich weiterhin zulässig (Beispiel: Eine auf der Sanktionsliste befindliche Person darf weiterhin im eigenen Auto fahren, dieses aber nicht als Taxi nutzen)” (BMWK, 28.3.)
  • Lange war für die Presse niemand zu erreichen. Jetzt hat das BMWK erstmals Zahlen rausgegeben: 95 Mio. € Finanzvermögen wurde bisher eingefroren (tagesschau, 30.3.). Das klingt sehr wenig, aber zählt man die Jacht dazu, die im Hafen von Hamburg festhängt, sind die europäischen Nachbarn auch nicht viel weiter (Italien: 800m, Frankreich: 850m). Die Schweiz kommt zwar immerhin auf 6,2 Milliarden Dollar, von den dort vermuteten 230 Milliarden ist das aber anteilig auch nicht mehr. Spannend vor allem wie Belgien auf 10 Milliarden Euro kommt (reuters, 24.3.)
  • Der Senat von Berlin hat immerhin 17 russische Immobilien identifiziert (hauptsächlich, aber nicht nur, Botschaftsgebäude) (Senat, 18.3.) beschreibt aber auch, warum im Immobilienbereich nichts passiert: die Grundbuchämter prüfen nur unmittelbar Beteiligte, die Überprüfung der wirtschaftlich Berechtigten überlässt man den Notar*innen, für eine Verknüpfung von Registern bräuchte man ein Bundesgesetz (Senat, 25.3.). “In die Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, die Durchsetzung von Wirtschaftssanktionen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union effektiver zu organisieren, sind die Länder nicht einbezogen worden, da das anzuwendende Bundesrecht ein Tätigwerden allenfalls in Amtshilfe für andere Behörden zulässt.” Laut Gutachterausschuss kauften Russen seit 2014 Berliner Immobilien im Wert von 442 Millionen Euro in eigenem Namen und unter Angabe der russsiichen Adresse (tagesschau, 4.4.)

Updates vom 18.3.

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Task Forces aber noch wenig eingefrorenes Vermögen:

  • Eine Task Force mit 14 Behörden unter Federführung von BMWK und BMF, die vor allem koordiniert und Rechtsgrundlagen prüft (Correctiv, 15.3.)
  • Eine Task Force beim BKA (11 Ermittler), die im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nach illegalem Vermögen der Oligarchen sucht, Grundlage ist der Verdacht auf Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Spiegel, 11.3. €)
  • Die “Freeze and Seize” Task Force von Europäischer Kommission, Eurojust und Europol (European law monitor, 17.3)
  • Die multilaterale “Repo” Task Force (Russian Elites, Proxies, and Oligarchs) mit Deutschland, Australien, Kanada, EU, Italien, Frankreich, Japan, USA (US treasury, 16.3.) begleitet durch eine engere Kooperation der FIUs dieser Länder
  • Die KleptoCapture Task Force der US-Strafverfolgungsbehörden (US department of justice, 2.3.) begleitet durch ein Kleptocracy Asset Recovery Rewards Programme (US treasury, 16.3.)
  • Keinen direkten Zusammenhang scheint es zum von Interpol gegründeten Financial Crime and Anti-Corruption Centre zu geben (Interpol, 15.3)
  • Den Russian Asset Tracker von OCCRP und anderen Journalisten, auf dem am 22.3. Vermögenswerte von $17,5 Milliarden erfasst waren und eine detaillierte Auswertung zu Vermögen und Kontenbewegungen von Usmanow.

Empfehlungen und ein konkretes Beispiel

Der Versuch, Vermögenswerte für die Durchsetzung von Sanktionen einzufrieren, scheitert – genauso wie die Geldwäschebekämpfung – in der Praxis häufig daran, dass die Behörden in Deutschland, der EU und weltweit größtenteils nicht in der Lage sind, diese Vermögenswerte zu identifizieren. Nach Schätzungen von Novokment, Piketty und Zucman (2018) besitzen Russen weltweit 1 Billion Euro anonymes Offshore-Vermögen, darunter deutsche Immobilien, Unternehmensbeteiligung und auch einige in Deutschland befindliche Yachten, teure Gemälde und andere Wertgegenstände im Wert von schätzungsweise 20 bis 50 Milliarden Euro.

Nur selten und meistens nur in relativ geringem Umfang halten die sanktionierten Personen diese Vermögensgegenstände direkt und in eigenem Namen. Anstatt dessen wird der Großteil ihrer Vermögenswerte von Personen ihres Umfelds gehalten oder ihre Beteiligung ist über komplexe Geldwäscheketten verschleiert.

Für effektive Sanktionen und Geldwäschebekämpfung müssten die deutschen Behörden also zunächst die Netzwerke um die Zielpersonen analysieren und Vermögen ungeklärter Herkunft in Deutschland identifizieren. Danach müssten sie gezielt Informationen sammeln, die zur Klärung der Herkunft oder zur Zuordnung zu den identifizierten Netzwerken beitragen, indem sie in administrativen Verfahren Informationen von den Verwaltern der Vermögenswerte einholen, bestehende Informationen aus Leaks oder Verdachtsmeldungen auswerten oder bei Verpflichteten und ausländischen Behörden gezielt nach Informationen fragen.

Ein Beispiel

  1. Die zu sanktionierende Zielperson ist wirtschaftlich Berechtigter einer Immobilie in Deutschland. Das für die Durchsetzung der Sanktion zuständige Amtsgericht (und die ebenfalls verpflichteten Notare und Makler) sehen im Grundbuch nur eine deutsche GmbH und veranlassen keine weiteren Schritte. Die Task Force verknüpft die Grundbuchdaten mit dem Handelsregister und stellt fest, dass der Gesellschafter der GmbH eine luxemburgische Gesellschaft ist. Im deutschen Transparenzregister liegt (noch) kein Eintrag vor. Dies ist für die Task-Force die erste Red Flag für weitere Prüfungsschritte. Als Konsequenz wird der Geschäftsführer der deutschen GmbH um Auskunft ersucht. Dieser verweist jedoch lediglich auf das luxemburgische Register. Es wird ein Bußgeld verhängt.
  2. Im luxemburgischen Handelsregister zeigt sich: Der Gesellschafter der dortigen Gesellschaft ist ein Sub-Fonds eines luxemburgischen Investmentfonds, dessen Investoren im Handelsregister nicht erfasst sind. Im luxemburgischen Transparenzregister gibt es keinen Eintrag zum Sub-Fonds. Der Eintrag zum Investmentfonds besagt, dass es keine Investoren mit mehr als 25% Anteil gibt und verweist auf die Fondsmanager. Eine weitere Red Flag und eine Lücke in der EU-Geldwäscheverordnung, über die die Europäische Kommission in Kenntnis gesetzt wird.
  3. Die Fondsmanager unterliegen den europäischen Geldwäschepflichten und müssen ihre Kunden überprüfen. Eine von der Task-Force angefragte Überprüfung der luxemburgischen Behörden ergibt, dass die Anteile des relevanten Sub-Fonds zu 100% einem Anwalt aus Zypern zugeordnet sind und über ein Investmentkonto einer Bank aus der Schweiz gehalten werden. Der Fondsverwalter stellt Informationen aus dem KYC-Prozess zur Verfügung, die darauf hindeuten, dass es bei der Prüfung Unstimmigkeiten gab. Eine weitere Red Flag und ggf. ein Anlass für eine vertiefte Prüfung durch die luxemburgische Aufsichtsbehörde. (Auszug aus den Management Regulations des Fonds)
  4. Eine Anfrage bei der Schweizer Bank würde ergeben, dass der wirtschaftlich Berechtigte des Investmentkontos aus Russland stammt und ein enger Verwandter der sanktionierten Person ist. Allerdings hat der Kontenmanager den wirtschaftlich Berechtigten falsch erfasst, so dass die Compliance-Abteilung das Konto nicht einfrieren kann. Die Bank kooperiert nicht. Kurz vor Umsetzung der Sanktionen in der Schweiz wird das Konto zur Tochtergesellschaft der Bank in den Vereinigten Arabischen Emiraten verlegt. Eine weitere Red Flag. Spätestens an diesem Punkt gäbe es ausreichend Hinweise, die Immobilie einzufrieren.
  5. Weitere Informationen und Netzwerkanalysen könnten zum Beispiel ergeben, dass der zypriotische Anwalt auch als Treuhänder für eine Gesellschaft agiert, die Anteile eines russischen Unternehmens im Wert von 500 Millionen Euro hält, die wiederum aus öffentlichen Quellen der sanktionierten Person zugeordnet werden können. Außerdem liegen den Behörden in Frankreich und den USA Verdachtsmeldungen zu mehreren von diesem Anwalt betreuten Gesellschaften vor und gegen den Kontomanager aus der Schweiz wird in einem anderen Verfahren wegen Geldwäsche ermittelt. Eine über einen Kredit beteiligte deutsche Bank hat keine weiterführenden Informationen. In der Summe Grund genug, nach neu geschaffenem Recht eine Einziehung zu beantragen.
  6. In der gerichtlichen Anhörung legt die Gegenpartei eine eidesstattliche Erklärung des Verwandten vor, die belegen soll, dass die eigentliche Zielperson nicht der wirtschaftlich Berechtigte ist. In der Summe der in Deutschland, Frankreich und den USA der Person zugeordneten Vermögenswerte und aller Umstände kommt das Gericht allerdings zu dem Schluss, dass sich diese Erklärung nicht mit dem legal deklarierten Einkommen in Einklang bringen lässt und zieht die Immobilie trotzdem ein.
  7. Wegen der Erfolge der Task Force wird sie verstetigt und arbeitet von nun als europäisches FBI und in enger Abstimmung mit dem neu geschaffenen internationalen Finanzgerichtshof.

2 Kommentare

  • Danke Christoph, super Recherche., alles nicht so einfach.
    Zwei Fragen habe ich dazu: Gibt es Sondergründe in Verbindung mit der Ukraine-Agression?
    Wie will Macron die angek. Beschlagnahmung durchsetzen?

    Antworten
    • Spannende und schwierige Frage. Mit welcher Rechtsgrundlage die italienische Finanzpolizei oder die Franzosen aktiv werden und ob sich entsprechende Aktivitäten in Deutschland ähnlich begründen lassen, muss die deutsche Task Force in den nächsten Tagen klären. Mittelfristig brauchen wir wahrscheinlich auch eine Ergänzung des Rechtsrahmens, z.B. durch die Unexplained Suspicious Wealth Order.

      Antworten

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