Studie legt Apples Steuervermeidung innerhalb der EU offen

Leisten einzelne Steuerzahler nicht den vorgesehenen Beitrag, müssen andere die Zeche zahlen und in den in diesem Fall eher weniger sprichwörtlichen sauren Apfel beißen. Multinationale Konzerne stehen nicht zuletzt im Zuge von Leaks wie den Paradise Papers und Lux Leaks unter Verdacht, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zum Steuerzahlen zu entziehen.
Eine Studie im Auftrag der Linksfraktion im Europäischen Parlament (GUE/NGL) legt nun offen, wie es Apple möglich ist, den realen Steuersatz für das EU-Geschäft im Zeitraum von 2015-2017 auf bis zu 0,7% der Gewinne zu drücken – bei einer durchschnittlichen Unternehmenssteuer in der EU von 21%.
Die AutorInnen untersuchen, wie Apple seine EU-Geschäfte im Zuge der Verurteilung Irlands durch die Europäische Kommission wegen rechtswidriger staatlicher Beihilfen für den Konzern neu strukturiert hat. Veröffentlicht wurde die Studie symbolträchtig am 21. Juni 2018. An eben jenem Tag verweigerte Apple die Beteiligung an einer Sitzung des Steuerkomitees des Europäischen Parlaments (TAX3) zur Aufarbeitung der Paradise Papers.

0.7% und eine Steuerlücke von bis zu 21€ Milliarden

Apple veröffentlicht seine Steuerdaten nicht aufgeschlüsselt nach Ländern. Die Studie rechnet daher mehrere Szenarien durch, die auf verschiedenen Datengrundlagen beruhen. Für das gesamte Auslandsgeschäft Apples (also außerhalb der USA, wo der Mutterkonzern seinen Sitz hat) liegen die Schätzungen bei einem jährlichen Steuersatz zwischen 3,7% und 6,9%. Innerhalb der EU schätzen die AutorInnen den Steuersatz Apples auf zwischen 0,7% und 8,8%, wobei sie es als „sehr wahrscheinlich“ erachten, dass die tatsächliche Zahl näher an der Minimalschätzung liegt.
Dabei habe Apple zwischen 2015 und 2017 Steuerzahlung in die öffentlichen Kassen von insgesamt mindestens 4€ Milliarden und bis zu 21€ Milliarden vermeiden können. Zum Vergleich: Die Bundesregierung führt für 2016-2017 asylbedingte Kosten von 43€ Milliarden an. Es stehen somit hohe Summen auf dem Spiel, da Apple bei weitem nicht die einzige Firma mit fragwürdigen Unternehmensstrukturen zur Steuervermeidung ist.

Zahlreiche Tricks und tatkräftige Mithilfe

Das zentrale Element von Apples Steuertricks ist der Standort Irland, das „Kernstück seiner Steuervermeidungsstrategie“. Irland hat seine Gesetzgebung noch nicht gänzlich an die Anforderungen des Kommissions-Urteils angepasst und wartet auf mögliche Schützenhilfe des Europäischen Gerichtshofs, welcher im Herbst die irische Berufung behandeln wird. Auch darüber hinaus leistet Irland tatkräftige Mithilfe bei der Steuervermeidung. Es wurden bereits neue Provisionen erlassen, die Steuervermeidung für multinationale Konzerne in gleicher Höhe wie vor den Gesetzesänderungen im Zuge des Kommissions-Urteils ermöglichen. Apple und Konsorten können sich sicher fühlen.
Apple hat 2015 als Reaktion seine Auslandsgeschäfte neu strukturiert. Es gibt gleich eine Reihe neuer Kniffe derer die Firma sich bedient. Gewinne der Auslandsgeschäfte Apples werden weiterhin zunächst in eine irische Zweigstelle verschoben. Geistiges Eigentum (welches für den Verkauf von Apple-Produkten von zentraler Bedeutung ist) wurde von einer ehemals „staatenlosen“ Apple-Tochter, die nun in Jersey ansässig ist, an eine irische Zweigstelle verkauft. In Irland kann Apple nun hohe Summen für den Erwerb des geistigen Eigentums sowie für Forschung und Entwicklung an den Mutterkonzern in den USA von den Auslandsgewinnen abschreiben.
Die irische Firma hat für diese Transaktionen hohe Kredite aufgenommen, für deren Zinszahlungen sie abermals Gewinne abschreiben dürfen. Kreditgeber ist dabei laut der Studie möglicherweise die Apple-Zweigstelle mit Steuerwohnsitz in Jersey, einer Steueroase im britischen Kronbesitz. Dort sammeln sich Apples Gewinne aus dem US-Ausland demnach größtenteils steuerfrei an. Die Gewinne sind nicht mehr „staatenlos“ und somit unbesteuert, sondern werden schlicht in Rechtssysteme verschoben, die keine Steuern erheben oder beinahe hundertprozentige Steuervergünstigungen anbieten–Irland und Jersey.

Gesamtkonzernbesteuerung als systemische Lösung

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Viele große Firmen zieht es für ihre Auslandsgeschäfte nach Irland und in ähnliche Steueroasen; viele operieren ähnliche Konstrukte mit dem Ziel der Steuervermeidung. Gerade in der digitalen Wirtschaft ist Steuervermeidung für multinationale Konzerne sehr effektiv. Die Europäische Kommission etwa konstatiert, dass die realen Steuersätze von digitalen Geschäftsmodellen in der EU weniger als die Hälfte der Steuersätze von traditionellen Modellen betragen. Bei grenzüberschreitender Steuerplanung gingen sie sogar gegen Null.
Martin Schirdewan, Koordinator der Linksfraktion in TAX3, kommentiert: „Fälle wie Apple zeigen eindrücklich, dass unser System der Unternehmensbesteuerung nicht mehr zeitgemäß ist.” Eine Lösung für das Problem kann die Gesamtkonzernbesteuerung ein. Eine neue Berechnungsgrundlage für Konzernsteuern würde der Verschiebung von Profiten in Niedrigsteuerländer den Riegel vorlegen. Wie schon lange von internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen gefordert, kann Steuerpflicht so wieder an wirtschaftliche Aktivität gekoppelt werden.

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