Oxfam-Studie: Pharmakonzerne verschieben Milliardengewinne in Steueroasen

https://www.oxfam.de/ueber-uns/aktuelles/2018-09-18-pharmakonzerne-verschieben-milliardengewinne-steueroasen
US-amerikanische Pharmakonzerne verschieben Gewinne in Steueroasen und drücken sich so um ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl. Das deckt eine neue Oxfam-Studie auf. Die Politik muss Steuerschlupflöcher schließen und die Konzerne zu mehr Steuertransparenz verpflichten.
US-amerikanische Pharmakonzerne scheinen in großem Stil Gewinne in Steueroasen zu verschieben und sich so um ihren angemessenen Beitrag zum Gemeinwohl zu drücken. Der neue Oxfam-Bericht „Prescription for Poverty“ („Armut auf Rezept“) schätzt: Allein bei den vier Konzernen Pfizer, Merck, Johnson & Johnson und Abbott beläuft sich der Schaden für Staatshaushalte in Industrie- und Entwicklungsländern in den Jahren 2013 bis 2015 auf jährlich rund vier Milliarden US-Dollar. Deutschland sind demnach jedes Jahr 316 Millionen US-Dollar an Steuern entgangen. Oxfam fordert weitreichende Transparenzpflichten und die Schließung von Steuerschlupflöchern.
Für den Bericht haben Oxfam-Expert*innen die Umsätze, Gewinne und Renditen der vier Pharmakonzerne in 20 ausgewählten Ländern verglichen und ins Verhältnis zur globalen Durchschnittsrendite gesetzt. Dabei stellte sich heraus, dass die untersuchten Konzerne in Ländern mit durchschnittlichem Steuersatz lediglich Renditen von um die sechs Prozent angegeben haben; in Steueroasen wie Belgien, Irland, den Niederlanden oder Singapur die Renditen allerdings bei durchschnittlich 31 Prozent gelegen haben sollen. Abbott weist in Irland sogar eine Rendite von über 75 Prozent aus, will in Indien aber 36 Prozent Verlust gemacht haben.

Anzeichen für Steuervermeidung

Solche Ergebnisse kommen nicht zufällig zustande. Ganz offenbar werden hier gezielt Gewinne in Steueroasen verschoben. Dies trifft vor allem arme Länder, in denen die Systeme am abhängigsten von Unternehmenssteuern sind und die wegen mangelnder staatlicher Mittel keine ausreichenden Leistungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich zur Verfügung stellen können. Oxfam fordert seit Langem schwarze Listen und wirksame Sanktionen für Steueroasen sowie weltweite Mindeststeuersätze.
Außerdem muss dringend für mehr Transparenz gesorgt werden. Wir brauchen eine öffentliche Berichterstattungspflicht, in welchem Land welche Gewinne anfallen und welche Steuern darauf gezahlt werden.
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Dividende statt Forschung

Neben der Frage der Versteuerung stellt sich auch die Frage nach der Herkunft der Gewinne. Der Bericht zeigt, dass ein Behandlungszyklus mit Pfizers Brustkrebsmedikament Paclitaxel in der Herstellung rund 1,16 US-Dollar kostet. Verkauft wird er zu Preisen zwischen 276 US-Dollar (USA) und 912 US-Dollar (Großbritannien). Solche Wucherpreise erschweren armen Menschen oft den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten oder belasten öffentliche Gesundheitssysteme.
Pharmakonzerne rechtfertigen solche Preise oft mit den Kosten für Forschung und Entwicklung. Die Realität zeigt aber: Auszahlungen an Anteilseigner sind wichtiger. Zwischen 2006 und 2015 hat etwa Pfizer fast ein Viertel (24 Prozent) seiner Gewinne für Dividenden und Aktienrückkaufsprogramme ausgegeben, aber nur 15 Prozent in Forschung und Entwicklung investiert. Forschung und Entwicklung werden oft aus Steuermitteln finanziert, während die Konzerne dazu neigen, sich um ihren fairen Beitrag zu diesen Steuermitteln zu drücken.

Pharma-Gewinne in Steueroasen verschieben: So funktioniert’s

Wir zeigen an einem vereinfachten, fiktiven Beispiel, wie ein Konzern seine Gewinne in Steueroasen verschieben kann.

Schritt 1: Tochterunternehmen in Steueroase gründen

Um diesen Steuertrick anzuwenden, muss ein Konzern zunächst ein Tochterunternehmen in einer Steueroase haben. Steueroasen sind Länder, die keine oder extrem niedrige Steuern auf Konzerngewinne erheben oder andere Möglichkeiten zur Steuervermeidung bieten.

Schritt 2: Patente an Tochterunternehmen in Steueroase übertragen

Geistige Eigentumsrechte wie z. B. Patente auf teure Medikamente werden auf das Tochterunternehmen in der Steueroase übertragen oder für einen niedrigen Preis an sie verkauft.

Schritt 3: Hohe Lizenzgebühren verlangen

Das Tochterunternehmen in der Steueroase verlangt nun für die patentierten Pharmaprodukte hohe Lizenzgebühren von den anderen Tochterunternehmen des Konzerns, die in Ländern mit normalen Steuern Medikamente produzieren oder verkaufen. Die Gebühren werden so hoch angesetzt, dass bei den Unternehmen kaum noch Gewinn übrig bleibt.

Schritt 4: Profitieren

Ergebnis: Ein Großteil des Gewinns wird beim Tochterunternehmen in der Steueroase verzeichnet, obwohl dort wenig wirtschaftliche Aktivität stattfindet. Da die Steueroase keine oder kaum Steuern auf Gewinne erhebt, hat sich der Konzern erfolgreich um seinen angemessenen Beitrag zum Gemeinwohl gedrückt.

Schritt 5: Geheimhalten

Natürlich möchte der Konzern nicht, dass die Öffentlichkeit erfährt, wie er sich vor seinem angemessenen Steuerbeitrag drückt – das wäre schlecht fürs Image. Praktisch für den Konzern: Es gibt keine gesetzliche Pflicht, die Gewinne und Steuerbeiträge nach Ländern aufgeschlüsselt zu veröffentlichen. So hat die Öffentlichkeit kaum eine Chance, den Konzernen auf die Finger zu schauen.
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