Ver.di-Brief an Schäuble zu Country-by-Country Reporting

Brief des ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske an Bundesminister Wolfgang Schäuble zu öffentlichen länderbezogenen Berichtspflichten für Unternehmen:
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Vorschlag der EU-Kommission bezüglich der Änderung der EU-Richtlinie im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen

Sehr geehrter Herr Minister,

im Namen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di möchte ich Sie als verantwortlichen Bundesminister bitten, den Vorschlag zur Änderung der EU-Richtlinie im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen zu stärken, der derzeit im Europäischen Parlament und im Rat der Europäischen Union diskutiert wird.

Der Vorschlag der EU-Kommission vom 12. April 2016 (COM (2016) 198)[1], zumeist bekannt unter dem Begriff „country-by-country reporting“ (CBCR) (länderbezogene Berichterstattung), hat zum Ziel, der heutigen Undurchsichtigkeit bei der Zahlung von Unternehmenssteuern durch öffentliche Transparenz zu begegnen. Die EU-Kommission schreibt hierzu, dass anhand dieser Berichterstattung „die Öffentlichkeit die Steuerstrategien der Unternehmen und ihren Beitrag zum Wohlstand (wird) beurteilen können.“[2]

Der Vorschlag baut auf ähnlichen früheren EU-Richtlinien auf, die eine verpflichtende öffentliche länderbezogene Berichterstattung für die Sektoren Bergbau und Banken beinhalten. Transparenzvorschriften sind zur Norm in diesen Sektoren geworden. Die EU hat nun die Chance, hierauf aufsetzend die Offenheit zum Standard für multinationale Unternehmen in allen Wirtschaftsbranchen zu machen.

Als Mitglied im europäischen Bündnis mit Nicht-Regierungsorganisationen, das von Gewerkschaftsseite vom Europäischen Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD) koordiniert wird, unterstützt die Gewerkschaft ver.di eine globale, umfassende, vergleichbare, öffentliche länderspezifische Berichterstattung. Es ist notwendig, dass Unternehmen ihre Steuern dort zahlen, wo sie Gewinne und Werte erwirtschaften, und dass die Steuerbehörden öffentliche Unterstützung erhalten, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können.

Eine öffentliche länderbezogene Berichterstattung ist ebenfalls zentral für die soziale Verantwortung von Unternehmen. Zum Merkmal gut geführter Unternehmen gehört auch, dass sie ihre Steuern zahlen. Die kürzliche Welle von Arbeitsplatzabbau in Europa zeigt, wie eng Unternehmensrestrukturierungen mit aggressiven Steuervermeidungsstrategien verbunden sind. Öffentliche länderbezogene Berichterstattung wird Beschäftigten und ihren Interessenvertretungen wichtige Informationen zur wirtschaftlichen Lage ihres Unternehmens an die Hand geben, so dass sie besser Herausforderungen in einem konstruktiven Dialog mit der Unternehmensleitung vorhersehen und bewältigen können. Diese Rechte für Information und Konsultation – in Deutschland zusätzlich auch mit Mitbestimmungsrechten verknüpft – sind ein Eckpfeiler des europäischen sozialen Modells, das in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist.

Allerdings ist der Vorschlag, wie er jetzt vorliegt, zu begrenzt, um hinreichend wirksam zu sein. Er verkompliziert unnötigerweise, was ansonsten eine einfache Übung der Rechnungslegungstransparenz sein sollte.

Um eine globale, umfassende, vergleichbare öffentliche länderspezifische Berichterstattung zu erreichen, sollte der Anwendungsbereich bezüglich der folgenden drei Punkte geändert werden:

  • Geographischer Anwendungsbereich: Die öffentliche Offenlegung von Daten muss für jedes Land bzw. steuerlich relevante Gebietskörperschaft geschehen, wo ein Unternehmen wirtschaftliche Aktivitäten unterhält, nicht nur in der EU und in Ländern, die als noch zu definierendes Steuerparadies gelten. Eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf die EU trägt das Risiko, Unternehmen zu ermuntern, dass sie Aktivitäten in Länder außerhalb der EU verlegen, um Gewinne bzw. Daten verstecken zu können. Weiterhin bedeutet ein partieller Anwendungsbereich auch partielle Information, was zu Missverständnissen führen kann. Der Vorschlag der EU-Kommission für eine gemeinsame Liste für Steuerparadiese ist ein guter Vorschlag, aber der CBCR-Vorschlag ist hierfür der falsche Platz. Eine schwarze Liste hat zum Ziel, Steuerparadiese zu sanktionieren, während der CBCR-Vorschlag kein Instrument für Sanktionen, sondern für Transparenz ist. Die schwarze Liste für Steuerparadiese sollte deshalb besser außerhalb des CBCR-Vorschlags bleiben und sollte durch ein globales öffentliches CBCR ersetzt werden.
  • Schwellenwert für den Umsatz: Der vorgeschlagene Schwellenwert bei 750 Millionen Euro konsolidiertem Umsatz ist zu hoch. Dieser wird die Mehrheit der multinationalen Unternehmen außen vor lassen, die dann weiterhin in der Lage sind, aggressive Steuervermeidung zu betreiben. Zudem würde unnötigerweise eine weitere Definition für große Unternehmen dem EU-Recht hinzugefügt werden. Es ist deshalb besser, bei der jetzigen EU-Definition von Großunternehmen zu bleiben, insbesondere dem Schwellenwert von 40 Millionen Euro Jahresumsatz wie er in der Rechnungslegungs-Richtlinie festgelegt ist.[3]
  • Offenlegung von Daten: Zu der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Liste von Elementen für die Offenlegung sollten die nach außen verkauften bzw. intern verrechneten Produkte und Dienstleistungen, die Aktiva, Liste der Niederlassungen und die öffentlichen Subventionen hinzugefügt werden. Dies würde es erlauben, dass CBCR wie beabsichtigt zum effektiven Steuerabschätzungsinstrument für die wirtschaftliche Aktivität von Konzernen wird und Informationen über Fälle von Standortverlagerungen aus der EU heraus zur Verfügung stehen.

Wir wissen, dass aus Unternehmenskreisen argumentiert wird, dass die oben aufgeführten Änderungen nicht vereinbar wären mit der Aktion Nr. 13 des OECD- Aktionsplans gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen (BEPS), die eine Offenlegung der länderbezogenen Berichterstattung auf Steuerverwaltungen beschränkt, und dass die Umsetzung des Entwurfs der EU-Richtlinie US-Konzerne aus Europa vertreiben würde.

Unsere Sicht ist, dass diejenigen, die diese Position vertreten, einfach nur den gegenwärtigen Zustand der Undurchsichtigkeit beibehalten wollen. In Wirklichkeit gibt es nichts, was die EU davon abhalten könnte, weiter als der OECD-BEPS-Aktionsplan zu gehen, wie dies der Fall für alle OECD-Maßnahmen ist. In den USA sind die Regeln der Börsenaufsicht bereits strenger als in vielen EU-Staaten und die Ausweitung auf eine öffentliche länderbezogene Berichterstattung wurde bereits im US-Kongress diskutiert.

Die Zukunft der EU ist derzeit mit vielen Unsicherheiten verbunden. Nach unserer Auffassung gehört eine globale öffentliche länderbezogene Berichterstattung zu den Kernmaßnahmen, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürgern in die Europäische Union wieder zu verbessern.

Die Konsultation der EU-Kommission zur Verbesserung der Transparenz der Unternehmenssteuern aus dem Jahr 2015, Petitionen und die Medienberichterstattung zeigen, dass die Menschen der Ansicht sind, wissen zu können, ob Unternehmen ihren angemessenen Anteil an den Steuerzahlungen leisten wie alle anderen auch. Das Eurobarometer zeigt weit verbreitete öffentliche Unterstützung für eine EU-Aktion im Kampf gegen Steuerdelikte.[4] Schließlich haben mehrere nationale Parlamente, so z.B. in Frankreich und den Niederlanden, eine öffentliche länderbezogene Berichterstattung empfohlen. Wenn nicht mehr unternommen wird, besteht die Gefahr, dass die EU als Institution weiter Vertrauen verliert.

Die Zeit ist reif, dass wirkliche Transparenz über die Zahlung von Unternehmenssteuern erreicht wird, indem im Rat die oben erwähnten Änderungen zum Anwendungsbereich angenommen werden, wie sie von der europäischen Gewerkschaftsbewegung und einer Reihe von Nicht-Regierungsorganisationen wie Oxfam und Transparency International befürwortet werden.

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass über den Vorschlag im Rahmen des auch von der EU-Kommission vorgeschlagenen Mitentscheidungsverfahrens von Rat und EU-Parlament mit einer qualitativen Mehrheitsentscheidung entschieden werden sollte, da diese Richtlinie technisch gesehen die Revision einer Rechnungslegungsrichtlinie und nicht einer Steuerrichtlinie ist. Steuerregelungen werden durch den vorgelegten Richtlinienvorschlag nicht geändert.

Ich hätte kein Verständnis dafür, wenn im Rat der Europäischen Union sich u.a. auch Deutschland dafür einsetzen sollte, die Rechtsgrundlage des Vorschlags so zu ändern, dass der Vorschlag als Steuerangelegenheit behandelt wird. Die Folge wäre, dass der Rat darüber einstimmig entscheiden müsste und dass EU-Parlament kein Mitentscheidungsrecht hätte. Die Aussicht, dass der Vorschlag der EU-Kommission bzw. eine durch den europäischen Gesetzgeber veränderte Version jemals Wirklichkeit wird, würde sich so enorm verringern. Versuche, die letztendlich darauf hinauslaufen, einen Vorschlag zu beerdigen, der wirklich die Chance bietet, einen konkreten Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger und das Gemeinwohl in der EU und in Deutschland zu schaffen, sollten unterbleiben. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die monatlich ihre Steuern zahlen, wird es empören zu erfahren, dass die Bundesregierung sich daran beteiligt, dass große Unternehmen auch weiterhin durch Verschleierung von Informationen alle Möglichkeiten haben sollen, sich vor ihren bereits bestehenden gesetzlichen Steuerzahlungspflichten zu drücken.

Ich würde mich sehr freuen, von Ihnen zu hören und stehe für vertiefende Gespräche gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Bsirske

[1] Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen

[2] Vgl. http://ec.europa.eu/finance/company-reporting/index_de.htm

[3] Vgl. Artikel 3 der Richtlinie 2013/ 34/ EU

[4] Vgl. http://www.europarl.europa.eu/external/html/eurobarometer-062016/default_en.htm#taxfraud

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