Öffentliche länderbezogene Berichterstattung – gut für Steuergerechtigkeit, kein Schaden für die heimische Wirtschaft (Warum die typischen Gegenargumente nicht überzeugen)

Autoren: Alexander Sacharow, Stefan Herweg, Yannik Bendel, Christoph Trautvetter

Oft ist unklar ob, wo und wie viele Steuern multinationale Unternehmen zahlen. Steuertransparenz verspricht mehr Klarheit und eine faktenbasierte Debatte. Kritiker führen hingegen an, dass Transparenz negative Auswirkungen auf die Wirtschaft hätte, Betriebsgeheimnisse gefährde, internationale Verhandlungen torpediere und zu Falschinterpretationen von offen gelegte Informationen führe.

Aus verschiedenen Gründen sind diese Argumente allerdings nicht überzeugend: Erstens fördert mehr Transparenz die Kontrolle durch den Markt und kostet wenig. Zweitens umfassen die Vorschläge für mehr Transparenz wie öffentliche länderspezifische Konzernberichte (public Country-by-Country Reporting) keine sensiblen Unternehmensinformationen und stehen auch nicht im Widerspruch zum Steuergeheimnis. Drittens sind die Auswirkungen auf internationale Verhandlungen – wenn überhaupt – marginal und viertens ist es die Aufgabe von Wissenschaft und Journalisten die Daten korrekt zu interpretieren.

Einleitung

Steuertransparenz – insbesondere bei Unternehmenssteuern – soll laut Befürwortern Anreize für aggressive Steuerplanung begrenzen, Behörden und Eigentümern ein realistischeres Risikoprofil grenzüberschreitender Konzerne vermitteln und die wissenschaftliche Debatte über internationale Konzernbesteuerung durch validere Daten befördern. All dies führe mittelbar auch zu mehr Steuergerechtigkeit. Gegner von mehr steuerlicher Transparenz berufen sich auf mögliche negative Effekte und blockieren deswegen politisch aktuelle Reformvorschläge. Dementsprechend stellt sich die Frage: Sind die Befürchtungen vor mehr Steuertransparenz ernstzunehmende oder werden primär bestehende Privilegien verteidigt?

Gegenwärtig besteht für Außenstehende insbesondere bei multinationalen Unternehmen Unklarheit darüber, in welchen Ländern Unternehmen wie viel Steuern zahlen und in welchem Verhältnis diese zu erwirtschafteten Gewinnen stehen. Die fehlende Transparenz erschwert eine öffentliche Diskussion über eine geeignete, effektive und faire Besteuerung. Auch für die Wissenschaft würde mehr Transparenz bei Unternehmenssteuern hilfreich sein, um die Wirkungen von politischen Entscheidungen und Maßnahmen gründlicher und belastbarer zu erforschen.

Die Gegner von mehr Steuertransparenz bei Unternehmen führen mehrere Argumente ins Feld, die jedoch bei einer genaueren Betrachtung fragwürdig erscheinen: Erstens, mehr Steuertransparenz hätte negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Diese Sichtweise ignoriert jedoch, dass Transparenzvorschriften keine Unterschiede zwischen Unternehmen machen und von Investoren geschätzt werden, da sie eine bessere externe Einschätzung der Unternehmen erlauben. Zweitens, Unternehmen wären gezwungen ihre Geschäftsgeheimnisse offenzulegen. Von den vorliegenden Vorschlägen lässt sich diese Behauptung jedoch nicht stützen, da diese weder Geschäftsgeheimnisse betreffen noch das Steuergeheimnis verletzen. Drittens, die Offenlegung von steuerlichen Informationen hätte nachteilige Auswirkungen auf die internationale Steuerkooperation. Hier wird jedoch ignoriert, dass der Effekt – wenn überhaupt – nur marginal und zeitlich begrenzt ist. Viertens, die Gegner von mehr Transparenz unterstellen, dass die veröffentlichen Daten falsch interpretiert würden. Doch auch in anderen Bereichen werden schwer interpretierbare Daten veröffentlicht, ohne dass dies ein Problem darstellt.

Im Folgenden werden die einzelnen Argumente im Detail beleuchtet und zuvor kurz erläutert, wieso Steuertransparenz von Unternehmen überhaupt ein Thema ist.

Steuertransparenz bei Unternehmen

Die Forderung nach mehr Transparenz hat ihren Ursprung in der Natur der Unternehmensbesteuerung: Einerseits sind Steuersysteme nahezu ausschließlich national organisiert, während Unternehmen andererseits in vielen Ländern gleichzeitig agieren. Das wirft die Frage auf, in welchem Land ein Unternehmen und insbesondere dessen Gewinn besteuert werden. Im Grundsatz gilt hier, dass die Aktivitäten eines Unternehmens in einem Land abgetrennt von den Aktivitäten in anderen Ländern betrachtet werden („Territorialprinzip“). Vor dem Finanzamt werden im Ausland ansässige Firmensparten wie fremde Unternehmen betrachtet. Fiktiv wird angenommen, dass mit diesem Geschäftsbeziehungen wie mit einem fremden Unternehmen bestehen.

Das Finanzamt schaut dann nur auf die inländischen Aktivitäten und die Gewinne, die darauf anfallen. Im Prinzip werden Aktivitäten eines Unternehmens im Ausland vom Finanzamt nicht weiter beachtet. Hierfür gibt es natürlich Ausnahmen[1], aber das grundsätzliche Prinzip gilt hiervon ungeachtet.

Dieses System ist manipulationsanfällig. Unternehmen haben den Anreiz ihre Gewinne in Länder mit niedrigeren Steuersätzen zu verschieben oder – für sie noch besser –zwischen den Grenzen von Staaten verschwinden zu lassen (quasi staatenlose Gewinne). Dafür gibt es verschiedene Methoden: Firmeninterne Preise, Lizenzen, Markenrechte und Darlehen. Diese werden zwischen unterschiedlichen Unternehmensteilen so verwendet, dass Gewinne in einem Land mit hohen Steuern besonders klein sind („Gewinnverkürzung“). Stattdessen fallen die Gewinne bei einer Tochtergesellschaft in einem Land mit sehr geringen oder gar keinen Steuern an („Gewinnverschiebung“).

Abbildung 1 – Zunehmende Gewinnverschiebung von multinationalen US-Konzernen zwischen 1966 und 2016 (Wright und Zucman, 2018)

Um solche Manipulationen seitens der Unternehmen zu begrenzen, gibt es grundsätzlich Vereinbarungen zu konzerninternen Verrechnungspreisen. Als Leitprinzip gilt hierbei der Fremdvergleichsgrundsatz („arm’s length principle“): Eine Transaktion innerhalb einer Firmengruppe muss mit einer Transaktion mit einer fremden Firma vergleichbar sein. Das funktioniert bei traditionellen Wirtschaftsgütern mit einem ausreichend großen Markt, etwa Schrauben, relativ gut. Schwierig wird es aber bei einzigartigen und immateriellen Wirtschaftsgütern. Wie findet man einen angemessenen Preis für Markenrechte, etwa für Coca Cola, oder Patente für spezielle Medikamente? Weil es hier naturgegeben viel Spielraum für Unternehmen gibt, können damit Gewinne besonders leicht von einem Ort zu einem anderen Ort verschoben werden. Da die Rolle von Marken, Patenten und anderen immateriellen Wirtschaftsgütern immer wichtiger wird, fällt es Unternehmen immer leichter Gewinne auf dem Papier zu verschieben. Aktuelle Studien für Unternehmen in den USA – wo deutlich mehr Informationen veröffentlicht werden müssen – zeigen sehr eindrücklich, welches Ausmaß die Verschiebung von Gewinne in Steueroasen mittlerweile angenommen hat (Abb. 1).

Die Befürworter von mehr Steuertransparenz für Unternehmen argumentieren, dass mehr Steuertransparenz die Voraussetzung ist, um diesen Trend zu stoppen. Auf Grund fehlender Transparenz sei die Zunahme der Gewinnverschiebung lange unbemerkt geblieben. Außerdem erlaubt mehr Transparenz den Erfolg von politischen Maßnahmen besser beurteilen zu können (Knobel und Cobham, 2016). Hinzu kommt, dass die Regeln für internationale Besteuerung von wenigen Steuerexperten ausgehandelt werden. Diese Expertengremien sind besonders anfällig für Lobbyismus („Regulatory capture“[2]) und tagen meist hinter verschlossenen Türen.[3] Mehr Transparenz würde es erleichtern, diese Debatten öffentlicher zu führen.

Als konkreteste politische Maßnahme werden aktuell öffentliche länderspezifische Berichtspflichten („public country-by-country reporting – pCbC“) diskutiert. Diese verpflichten Unternehmen bestimmte Informationen aufgegliedert nach den Ländern ihrer Tätigkeit zu veröffentlichen. Welche Kenndaten dies genau sind, ist je nach Vorschlag bzw. Maßnahme etwas unterschiedlich.[4] Grundsätzlich handelt es sich jedoch um folgende Informationen:[5]

  1. Länder in denen das Unternehmen aktiv ist, sowie alle Tochtergesellschaften und nahestehenden Firmen in diesen Ländern.
  2. Umsatz, Gewinne und Mitarbeiterzahl der Tochtergesellschaften und nahestehenden Firmen je Land.
  3. Steuerzahlungen der Tochtergesellschaften und nahestehenden Firmen je Land bzw. je Gesellschaft.

Diese allgemeinen Kennziffern erlauben ein grobes Bild der Aktivitäten eines multinationalen Konzerns.

In bestimmten Branchen sind öffentliche Länderberichte bereits vorgeschrieben. Die umfangreichsten Pflichten gelten seit 2014 im europäischen Bankensektor,[6] aber auch im Rohstoffsektor schlüsseln Konzerne ihre Aktivitäten nach Ländern auf.[7] Hinzu kommt, dass einige Unternehmen, beispielsweise
Lush oder Vodafone sich entschieden haben freiwillig ihre länderspezifischen Kennziffern zu veröffentlichen und selbst der sonst so undurchsichtige Discounter Aldi unter entsprechendem Druck in Australien dazu bereit ist. [8]

Darüber hinaus hat 2018 ein internationaler Informationsaustausch über Länderberichte begonnen, der im Rahmen der OECD vereinbart wurde.[9] Diese sind gegenwärtig die umfangreichsten Berichte. Sie sollen aber nur den nationalen Steuerbehörden zugängig sein. Im Jahr 2016 hat die EU-Kommission eine Veröffentlichungspflicht länderspezifischer Berichte vorgeschlagen.[10] Im Moment sind die politischen Verhandlungen im Rat der Mitgliedsstaaten hierzu jedoch festgefahren (Stand Mai 2019). Das Europäische Parlament hat den Kommissionsvorschlag bereits im Sommer 2017 mit Erweiterungen gebilligt. Der EU-Vorschlag würde für alle in Europa tätigen Großkonzerne gelten, umfasst jedoch weniger Kennziffern als die Länderberichte im Rahmen des OECD-Informationsaustausches. Außerdem sollen Kennziffern für Länder außerhalb der EU nur zusammengefasst veröffentlicht werden.[11]

Unternehmen müssen keine Geschäftsgeheimnisse offenlegen

Gegen mehr Steuertransparenz werden verschiedene Argumente ins Feld geführt. Eine beliebte Argumentation ist, dass mehr Transparenz zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen führe. So argumentierte beispielsweise der CDU-Politiker Mathias Middelberg: „Im Besonderen ist der Schutz von Geschäftsgeheimnissen nicht hinreichend gewährt, da durch die Veröffentlichungen Rückschlüsse auf Unternehmensstrukturen und Margen möglich wären.“[12] Der FDP-Abgeordnete Holger Kreste[13] oder der CDU-Politiker Philipp Graf Lerchenfeld[14] sahen sogar das Steuergeheimnis in Gefahr. Doch sind diese Befürchtungen wirklich begründet?

Grundsätzlich gilt: Es kommt darauf an, was und von wem veröffentlicht werden muss. Bei der Frage von Betriebsgeheimnissen geht es primär darum, „was“ veröffentlicht werden soll. So sind Unternehmen auch jetzt schon verpflichtet, zahlreiche Informationen über ihre Geschäfte preiszugeben. Sie müssen Jahresabschlussberichte veröffentlichen, die umso detaillierter ausfallen, je größer ein Unternehmen ist. Diese Veröffentlichungspflichten umfassen auch die im Rahmen von Steuertransparenz diskutierten Kennziffern wie Umsatz oder gezahlte Steuern. Was jedoch bisher nicht verpflichtend stattfindet, ist die Aufschlüsselung nach Ländern. Dies würde Rückschlüsse über die geographische Verteilung der Aktivitäten eines Unternehmens erlauben.

Aus mehreren Gründen ist es fraglich, ob diese Informationen als Betriebsgeheimnis schützenswert sind. Erstens gefährdet die Veröffentlichung der Informationen keine Geschäftsmodelle, wie es der Fall wäre, wenn Forschungsergebnisse oder interne Lieferketten veröffentlicht werden müssten. Zweitens gibt es bereits Unternehmen die freiwillig die entsprechenden Kennziffern veröffentlichen. Das ist etwa bei Aldi in Australien[15] der Fall. Würden diese Informationen sensible Betriebsgeheimnisse enthalten, dann würde kein Unternehmen diese Informationen freiwillig veröffentlichen. Drittens kommen auch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zu dem Schluss, dass die im Rahmen von Steuertransparenz diskutierten Kennziffern nicht unter den verfassungsrechtlichen Schutz von Betriebsgeheimnissen fallen (Wissenschaftlichen Dienste, 2016).

Unternehmensvertreter entgegnen, dass mittelgroße Unternehmen durch die Berichtspflichten faktisch detailliert Profitmargen für einzelne Projekte offenlegen müssen, da sie in einzelnen Ländern nur über sehr begrenzte Aktivitäten verfügen würden. Auch dies kann allerdings kein hinreichender Grund gegen Steuertransparenz sein, da wiederum kleine lokale Unternehmen durch die existierenden nationalen Veröffentlichungspflichten ähnlich transparent sein müssen und zudem in Ausnahmefällen auf Antrag Begrenzungen der Steuertransparenz denkbar wären, wie etwa vom Europäischen Parlament vorgesehen.

Bei der Frage des Steuergeheimnisses steht im Mittelpunkt, wer Informationen veröffentlicht. Das Steuergeheimnis schützt Daten, die Behörden für die Festsetzung von Steuern anvertraut wurden. Diese dürfen nicht zu anderen Zwecken verwendet werden.[16] Das Steuergeheimnis schützt hingegen nicht Informationen, die auf Grund eines anderen Gesetzes direkt von den Unternehmen veröffentlicht werden müssen. So veröffentlichen auch jetzt schon Unternehmen, die ausschließlich in Deutschland tätig sind, wie viel Steuern sie hierzulande zahlen. Dementsprechend ist mehr Steuertransparenz möglich ohne das Steuergeheimnis zu verletzen.

Kein negativer Effekt für Wettbewerbsfähigkeit heimischer Firmen

Ein weiteres Argument gegen mehr Steuertransparenz sind angeblich negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Unternehmen. Dabei lassen sich zwei Argumentationsmuster finden: Erstens, auf Grund höherer Transparenzverpflichtungen seien Investitionen im Vergleich zu Standorten, die weniger Transparenz verlangen, unattraktiver. Zweitens, deutsche bzw. europäische Firmen könnten auf Grund von mehr Steuertransparenz im Ausland mit höheren Steuerforderungen konfrontiert sein.

Beide Argumente sind bei genauerer Betrachtung nicht überzeugend. Höhere Transparenzverpflichtungen binden alle an einem Markt tätigen Unternehmen gleichermaßen und bergen sogar die Möglichkeit, Investitionen zu fördern. Mehr Transparenz alleine führt nicht zu höheren steuerlichen Belastungen im Ausland.

Dass mehr Steuertransparenz einen Standortnachteil mit sich brächte, basiert auf zwei Vermutungen: Erstens, Unternehmen könnten schlechter gestellt sein als ihre im Ausland ansässigen Wettbewerber und zweitens könnte die Veröffentlichung der Informationen könnte erhebliche Kosten für die Unternehmen mit sich bringen.

Beide Punkte sind nicht überzeugend. Wenn Veröffentlichungen für alle in der EU tätigen Unternehmen verpflichtend sind, dann sind nahezu alle internationalen Konzerne davon betroffen. Schätzungsweise 90% aller multinationalen Konzerne haben eine Niederlassung in der EU (EU Kommission, 2016, S. 28). Kaum ein Unternehmen wird aufgrund von Transparenzvorschriften darauf verzichten, auf dem größten Binnenmarkt der Welt aktiv zu sein. Darüber hinaus gilt auch hier, dass die im Rahmen von Vorschlägen zur Steuertransparenz diskutierten Kennziffern keine sensiblen Unternehmensinformationen umfassen (siehe Absatz Geschäftsgeheimnisse).

Das Kostenargument kann insoweit entkräftet werden, als dass die entsprechenden grundlegenden Kennziffern weitgehend für die Leitung des Unternehmens ohnehin erhoben werden. Außerdem bestehen oft bereits umfangreichere Meldepflichten gegenüber nationalen Behörden (etwa im Rahmen der länderspezifischen Berichte nach OECD-Standard), welche die Verfügbarkeit entsprechender Daten zusätzlich absichern. Einzig die Erläuterung der Daten könnte ein paar zusätzliche Kosten schaffen, die jedoch bei den üblichen Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit von multinationalen Unternehmen marginal sein sollten. Deshalb ist nicht zu befürchten, dass die zusätzliche Veröffentlichung eines Teils dieser Informationen einen erheblichen Kostenaufwand mit sich bringt. Dementsprechend kam auch eine Studie von Transparency International zu öffentlichen Berichten von europäischen Konzernen zu dem Schluss, dass sich keine Wettbewerbsnachteile durch öffentliche Berichtspflichten feststellen lassen (Transparency International, 2016).

Gleichzeitig gilt: Umfangreichere Transparenz­pflichten können die Finanzierung von Investitionen vereinfachen. Für die effiziente Funktionsfähigkeit eines Marktes sind Informationsasymmetrien ein Haupthindernis (Akerlof, 1970). Für externe Geldgeber sind verlässliche Informationen über ein Unternehmen entscheidend, um eine Finanzierungsentscheidung zu treffen. Auch die Steuergestaltung wird von Investoren bewertet. So haben mehrere Studien bestätigt, dass aggressive Steuerplanung ein höheres Risiko für Aktionäre bedeutet (Hanlon und Slemrod 2009; Desai and Dharmapala 2009; Kim et al. 2011). Dementsprechend verbessert steuerliche Transparenz die Informationsgrundlage für Geldgeber/innen und erlaubt eine aktive Kontrollfunktion durch die Märkte. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass laut einer Umfrage von PwC 59% der Manager/innen von multinationalen Konzernen öffentliche Länderberichtspflichten unterstützen.[17]

Das zweite Gegenargument fußt auf der Befürchtung, dass mehr Steuertransparenz höhere Steuerzahlungen im Ausland zur Folge haben kann. Dem liegt zu Grunde, dass mehr Transparenz zu höheren Steuerforderungen im Ausland führe. Doch Staaten können nicht ohne weiteres mehr Geld von Unternehmen fordern. In allen Ländern sind dafür Änderungen im Steuerrecht notwendig. Dabei sind Staaten jedoch nicht vollkommen frei, denn sie haben in über 2500 bilateralen Steuerabkommen die Besteuerungsrechte unter einander geregelt (Rixen, 2008).

Mehr Transparenz wird höchstens zur internationalen Diskussion zu den grundlegenden Prinzipien der Unternehmensbesteuerung und der Verteilung von Besteuerungsrechten beitragen. Diese Debatte ist im Rahmen der OECD ohnehin im Gange. Länder mit großen Verbrauchermärkten und wenigen Konzernsitzen wie Brasilien und Indien fordern hier bereits weitreichende Änderungen, da zurzeit das Prinzip gilt, dass Unternehmensgewinne grundsätzlich eher im Staat des Unternehmenssitzes als im Quellenland (dem Absatzmarkt) besteuert werden. Mehr Transparenz wird diese Debatte nicht grundlegend ändern, aber versachlichen und offener gestalten.

Kooperation mit Partnerländern nach Offenlegung nicht gefährdet

Im Rahmen des automatischen OECD-Informationsaustausches tauschen Steuerbehörden Länderberichte  von heimischen multinationalen Konzernen mit anderen Staaten aus. Die Gegner des pCbCR befürchten, dass Staaten außerhalb der EU keine Berichte ihrer Unternehmen mehr bereitstellen würden, falls ähnliche Berichte ohne Gegenpfand in der EU veröffentlicht werden. Darüber hinaus besteht die Befürchtung, dass internationale Verhandlungspartner brüskiert sein könnten, wenn die EU von ihren Unternehmen Offenlegung verlangt.

Das „Gegenpfand-Argument“ würde stimmen, falls die Offenlegungspflichten genau die gleichen Kennziffern umfassen würden, wie sie bilateral zwischen Staaten ausgetauscht werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vorschläge zur Steuertransparenz wie die EU-Richtlinie zu pCbCR beschränken sich auf einen Teil der zwischen Staaten bilateral ausgetauschten Informationen (vgl. Cobham et al. 2017). Staaten hätten dementsprechend auch bei einer Offenlegung noch Interesse an einer Kooperation, um diese weiterreichenden Informationen zu erhalten. Auch kann nicht von Verstößen gegen die OECD-Vereinbarungen im engeren Sinne die Rede sein, da nicht die Steuerbehörden etwaig erhaltene Daten veröffentlichen, sondern die Unternehmen an sich zur Transparenz verpflichtet werden.

Auch die allgemeine internationale Kooperation in Steuersachen scheint durch Transparenzvorschriften nicht gefährdet. Wichtige Fortschritte in der internationalen Zusammenarbeit waren im Gegenteil eine Folge von unilateralen Maßnahmen einzelner Akteure. Wichtigstes Beispiel hier ist FATCA. Durch dieses Gesetz wurden alle Finanzinstitute, die in den USA tätig sein wollen, verpflichtet, Informationen zu allen potenziell in den USA Steuerpflichtigen an das US-Finanzministerium zu übermitteln. Erst dieser Schritt hat die internationale Diskussion zum automatischen Informationsaustausch zu Kontoinformationen ins Rollen gebracht (Grinberg, 2012). FATCA war kein Einzelfall. Veränderungen im internationalen Steuersystem wurden oft von einzelnen – wichtigen – Ländern im Alleingang initiiert (Altshuler und Goodspeed, 2015).

Öffentlichkeit kann Daten interpretieren

Darüber hinaus wird angeführt, dass öffentliche Informationen über Unternehmen falsch interpretiert würden. Auf Grund der Komplexität der Steuerregelungen seien die Zahlen für Außenstehende kaum nachvollziehbar. Weil im Gegensatz zu Steuerbehörden der Öffentlichkeit nur ein kleiner Teil der Information zugängig sei, könne diese keine belastbaren Schlussfolgerungen über die Steuerzahlungen eines Unternehmens ziehen.

Das Argument basiert auf einer falschen Annahme: Steuertransparenz soll nicht zum Ziel haben, dass Außenstehende die Festsetzung einer Steuer 1 zu 1 nachvollziehen können. Die Öffentlichkeit soll nicht die Konformität eines Unternehmens mit dem Steuerrecht überprüfen. Das ist originäre Aufgabe der Steuerbehörden. Stattdessen soll mehr Steuertransparenz eine öffentliche Debatte über die Ergebnisse dieses Systems ermöglichen.

Außerdem kann Dritten nicht pauschal Unkenntnis unterstellt werden. Auch in anderen Themenbereichen wie Klimapolitik sind die zugrundeliegenden Informationen kompliziert und für einen Fachfremden kaum verständlich. Doch es gibt Journalisten und zivilgesellschaftliche Organisation, deren Aufgabe die Aufbereitung dieser komplizierten Informationen ist. Sie werden dabei von Wissenschaftlern unterstützt, die sich seit Jahren mit dem Thema befassen. Vorbeugend können Unternehmen problemlos bei der ursprünglichen Veröffentlichung die Zahlen mit Erklärungen unterlegen. Und selbst wenn all das immer noch zu einer fehlerhaften Wiedergabe führt, können Unternehmen auf Fehlinterpretationen hinweisen und schwierig nachvollziehbare Tatsachen erläutern.

Fazit

Die Kritik an Transparenzpflichten für große, multinationale Konzerne basiert auf Mythen. Die einzelnen Gegenargumente verfangen wie dargelegt ökonomisch und politisch nicht. Mutmaßlich ist die reale Ablehnung – etwa der EU-Kommissions­vorschläge durch etliche EU-Mitgliedsstaaten – auf drei Gründe zurückzuführen.

Erstens fürchten Staaten wie Luxemburg, Irland, Zypern und Malta um ihr Geschäftsmodell als Steueroasen, wenn durch öffentliche Berichtspflichten der Druck zur Begrenzung von Gewinnverschiebung von Unternehmen steigt und konkrete Fälle analysierbar werden. Auch wenn in einer Gemeinschaft wie der EU für kleine Staaten ohne große industrielle Basis eine gewisse zusätzliche Unterstützung zur wirtschaftlichen Entfaltung gerechtfertigt ist, schadet die Gewinnverkürzung der Mehrheit. Sie führt überdies zu Wettbewerbsverzerrungen mit national agierenden Unternehmen, welche über weniger Gestaltungsmöglichkeiten verfügen.

Zweitens misstrauen Staaten wie Deutschland einer Verschärfung der Debatte über internationale Besteuerungsrechte, da eine stärkere Gewichtung von Absatzmärkten bei der Verteilung dieser Rechte aufgrund der zurzeit hohen Exportabhängigkeit möglicherweise Steuersubstrat kosten könnte. Auch dies ist für die Allgemeinheit kein hinreichendes Argument, da die Diskussion über Besteuerungsrechte unabhängig von Steuertransparenz ohnehin geführt wird.

Drittens lobbyieren Unternehmen und Verbände gegen Steuertransparenz, um eine Anhebung der effektiven Unternehmensbesteuerung zu verhindern. Denn es gibt erste Zeichen, dass bessere Informationen die Logik des unbegrenzten Steuerwettbewerbs nach unten stoppen können. Der Informationsaustausch zu Konten hat beispielsweise dazu geführt, dass in mehreren Ländern der Trend zu immer niedrigeren Kapitaleinkommensteuern durchbrochen wurde (Bothner et al. 2018). Auch die Erfahrungen mit öffentlichen Länderberichtspflichten im Bankensektor zeigen, dass Transparenz zu einer geringeren Nutzung von Steueroasen führen kann (Overesch und Wolff 2019).

Die Höhe und Art von Besteuerung von Unternehmen ist zu Recht politisch umstritten: Grundlegende Transparenz ist aber eine essentielle Voraussetzung, um diese Debatte überhaupt führen zu können. Wer sich ihr verweigert, erleichtert Gewinnverkürzung, begrenzt Wettbewerb und blockiert eine wissenschaftliche fundierte Auseinandersetzung.

Literaturverzeichnis

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Cobham, Alex and Gray, Jonathan and Murphy, Richard, What Do They Pay? Towards a Public Database to Account for the Economic Activities and Tax Contributions of Multinational Corporations (2017): City Political Economy Research Centre, Working Paper Series 2017/01 . Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=3049857 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3049857

Desai, Mihir und Dhammika Dharmapala (2009): Corporate Tax Avoidance and Firm Value, in: Review of Economics and Statistics, MIT Press, vol. 91(3), 537-546.

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Rixen, Thomas (2008): The Political Economy of International Tax Governance, Basingstoke: Palgrave Macmillan.

Stigler, George (1971): “The Theory of Economic Regulation,” Bell Journal of Economics and Management Science 2

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Wright, Thomas und Gabriel Zucman (2018): The Exorbitant Tax Privilege, NBER Working Paper No. 24983, http://gabriel-zucman.eu/files/WrightZucman2018.pdf.


[1] Z.B. im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung.

[2] Siehe Stigler (1971).

[3] Im Fall von länderweisen Berichtspflichten wurde dies aufgearbeitet von Meinzer und Trautvetter (2018).

[4] Einen Überblick über die unterschiedlichen Country-by-Country Vorschläge bietet Cobham et al. (2017).

[5] Eine Einführung zu Country-by-Country Reports gibt es vom Tax Justice Network: https://www.taxjustice.net/topics/corporate-tax/country-by-country/.

[6] Eingeführt im Rahmen der Capital Requirement Directive (CRD IV) (Richtlinie 2013/36/EU).

[7] Im Rahmen der Extractive Industry Transparency Initiative (EITI, eiti.org). In der EU durch die Transparenz-Richtlinie 2004/109/EC sowie die Bilanz-Richtlinie 2013/34/EU gesetzlich umgesetzt.

[8] Aldi veröffentlicht Informationen im Rahmen der australischen Voluntary Tax Transparency Initiative: https://corporate.aldi.com.au/en/about-aldi/approach-to-tax/

[9] In der EU ist der Austausch von länderspezifischen Berichten zwischen Steuerbehörden mit der EU Richtlinie 2016/881 im 25 May 2016 beschlossen worden (mandatory automatic exchange of information in the field of taxation).

[10] COM/2016/0198 final – 2016/0107 (COD) zur Änderung der EU-Richtlinie 2013/34/EU.

[11] Der EU-Vorschlag verpflichtet alle Unternehmen mit mehr als 750 Millionen € Umsatz, die in Europa tätig sind, 7 Kennzahlen offen zu legen. Im Rahmen des OECD-Informationsaustausches werden 12 Kennzahlen ausgetauscht. Das Europäische Parlament hat die ursprünglich von der EU-Kommission vorgeschlagene Begrenzung, Informationen nur für EU-Länder (und Steueroasen auf der Schwarzen Liste der EU) aufzuschlüsseln in seiner Positionierung auf alle Staaten ausgedehnt. Einen Überblick gibt es in Cobham et al., 2017.

[12] Dr. Mathias Middelberg am 07.07.2016 im Bundestagsplenum, https://www.cducsu.de/themen/wirtschaft-und-energie-haushalt-und-finanzen/eindaemmung-von-steuervermeidungspraktiken

[13] Holger Kreste (FDP) am 27. Juni 2013 im Bundestagplenum.

[14] Philipp Graf Lerchenfeld, Bundestagsrede am 25.09.2014

https://www.cducsu.de/themen/wirtschaft-und-energie-haushalt-und-finanzen/vorschlag-eines-country-country-reporting-verletzt-das-steuergeheimnis

[15] Veröffentlicht von Aldi in Australien: https://corporate.aldi.com.au/en/about-aldi/approach-to-tax/ :

[16] Es gibt hier jedoch streng geregelte Ausnahmen, beispielsweise im Falle von Strafverfolgung.

[17] PwC 17th Annual Global CEO Survey: Tax strategy, corporate reputation and a changing international tax system: https://www.pwc.com/gx/en/tax/publications/assets/ceo-survey-tax-perspectives.pdf

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