Der Weg zu einer gerechten Erbschaft – und Schenkungsteuer – ein Reformvorschlag

Mit Blick auf die hohe Vermögensungleichheit in Deutschland ist eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer politisch dringend geboten. Denn die Steuer ist aufgrund  der weitreichenden Steuerprivilegien für superreiche Firmenerben weder effizient noch gerecht. Zudem könnte demnächst zum wiederholten Male ein Reformauftrag des Bundesverfassungsgerichtes erteilt werden. Das Gericht prüft aktuell eine Verfassungsbeschwerde zur Erbschaftsteuer. Vor diesem Hintergrund erläutert der Beitrag, wie eine erneute Reform der Steuer gelingen könnte.

Warum ist eine Reform notwendig?

Die Vermögensungleichheit ist in Deutschland im internationalen Vergleich besonders hoch. Ein Treiber von Ungleichheit ist dabei das Steuersystem. Während etwa mittlere Arbeitseinkommen hierzulande im internationalen Vergleich sehr hoch mit Steuern und Abgaben belastet werden, werden Vermögen besonders niedrig besteuert. Aktuell mahnen bereits Organisationen, wie die OECD, Deutschland vor einer Gefährdung des sozialen Zusammenhalts durch die wachsende soziale Ungleichheit. Explizit werden dabei u.a. höhere Steuern auf leistungslose Schenkungen und Erbschaften empfohlen.

Denn durch Erbschaften und Schenkungen setzt sich die Ungleichheit über Generationen hinweg fort. Derzeit werden in Deutschland jährlich schätzungsweise 300 bis 400 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt. Die reichsten zehn Prozent der Gesellschaft erhalten dabei etwa die Hälfte des gesamten Erb- und Schenkungsvolumen, während der ärmere Teil der Bevölkerung nichts Nennenswertes erhält. Mittlerweile wurde in Deutschland mehr als die Hälfte des Vermögens nicht erwirtschaftet, sondern im Wege von Erbschaft und Schenkung erworben – Tendenz steigend.

Im Vergleich zum Erbschaftsvolumen sind die Einnahmen aus der Erbschafts- und Schenkungsteuer gering: Im Jahr 2022 lagen sie bei gerade einmal 9,2 Milliarden Euro (im Vergleich: Tabaksteuer über 14 Milliarden Euro; Lohnsteuer rund 230 Milliarden Euro). Der durchschnittliche effektive Steuersatz auf das gesamte Erb- und Schenkungsvermögen lag somit bei gerade einmal 2,3 – 3 Prozent.

Neben dem niedrigen Aufkommen wird das Potential zur Reduktion der Vermögenskonzentration der Steuer durch die Regressivität verschenkt: Aufgrund weitreichender Steuerprivilegien und Gestaltungsmöglichkeiten für Frimenerben werden große Vermögen in Deutschland niedriger besteuert als kleinere steuerpflichtige Übertragungen. Die Begünstigung von Unternehmensvermögen ist laut Subventionsbericht der Bundesregierung die größte Steuersubvention in Deutschland. Zudem bergen die pauschalen Subventionen für Erben Gefahren für Wirtschaft,  Arbeitsplätze und die Innovationskraft.

Vor allem aber sind die Steuerprivilegien ein Gerechtigkeitsproblem. Vor diesem Hintergrund prüft aktuell das Bundesverfassungsgericht zum wiederholten Mal die Steuerausnahmen auf ihre Verfassungsmäßigkeit. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass zur bestehenden politischen Notwendigkeit einer Reform der Erbschaftsteuer bald erneut ein Auftrag aus Karlsruhe hinzukommt.

Wie könnte eine gerechte Erbschaft- und Schenkungsteuer aussehen?

Ziele des Reform

Damit die Steuer ihrem Potential gerecht wird, müssen vor allem drei Ziele erreicht werden:

  1. Effektiv progressiver Steuersatz: Je höher das Vermögen, desto höher der Steuersatz.
  2. Starke Vereinfachung und weniger Gestaltungsmöglichkeiten: Entlastung für Finanzverwaltung und Berater.
  3. Mehreinnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Im Gegenzug könnten mittlere Arbeitseinkommen entlastet und/oder die Vermögensbildung gefördert werden.

Eckpunkte des Reformvorschlags

(zum ausführlichen Vorschlag hier entlang)

1. Lebensfreibetrag von einer Million Euro

Es gilt pro Person ein persönlicher Lebensfreibetrag, statt der aktuell geltenden Freibeträge, die sich aller 10 Jahre erneuern. Der Freibetrag könnte bei einer Million Euro liegen. Alle lebenslang erhaltenen Schenkungen und Erbschaften bis zu diesem Freibetrag sind steuerfrei. Der Freibetrag unterteilt sich dabei in zwei Steuerklassen: Zum einen gilt ein Freibetrag von 900.000 Euro für nahe Angehörige (Ehegatten, Eltern). Und zudem ein Freibetrag von 100.000 Euro für Erbschaften und Schenkungen von allen anderen Personen. Erst Vermögen oberhalb des Freibetrags sind zu versteuern.

Zum einen werden mit dem Lebensfreibetrag gut geplante Schenkungen — aufgeteilt über mehrere Jahrzehnte — nicht mehr bessergestellt als ungeplante Erbschaften. Zum anderen dürfte der Mehrheit der Bürger*innen durch den hohen Freibterag deutlich werden, dass sie niemals von der Steuer betroffen sein werden.

2. Steuerfreies selbst genutztes Familienheim

Zusätzlich zum Lebensfreibetrag bleibt das selbst genutzte Elternhaus entsprechend der derzeit geltenden Regeln steuerfrei.

3. Unternehmensvermögen

Die Vergünstigungen für Unternehmensvermögen sollten weitestgehend entfallen und durch langfristige Finanzierungshilfen ersetzt werden. Können etwa Steuerzahlungen nicht aus dem vorhandenen Privatvermögen der Erbenden und Beschenkten beglichen werden, werden mögliche Liquiditätsprobleme durch erweiterte Stundungs- oder Verrentungsregelungen vermieden. Die Stundung und Verrentung der Steuerschuld sollte dabei ohne besondere Voraussetzungen auch über lange Zeiträume möglich sein. Die Erbenden und Beschenkten können die Steuer dann aus den laufenden Erträgen des  Unternehmens abzahlen. Ähnlich wie Nicht-Erben, die einen Kredit für die Gründung oder den Kauf aufnehmen müssen. Die Finanzierungshilfen sollten nicht etwa an einen Nachweis der Notwendigkeit oder Bedürftigkeit geknüpft werden. Stattdessen sollten reine Mitnahmeeffekte durch eine Verzinsung der Steuerschuld unterbunden werden. In anderen Ländern, wie Dänemark und Japan, werden Firmenübergänge nach diesem Prinzip besteuert.

Insofern die Steuerschuld die Selbstfinanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens zu stark belastet, könnte für den Zeitraum der Steuerzahlung zudem die Möglichkeit einer Umwandlung in Unternehmensbeteiligungen des Fiskus beziehungsweise eines Staatsfonds geschaffen werden.

Denkbar wäre zudem ein gesonderter moderater lebenslanger Freibetrag für Unternehmensvermögen.  Somit könnten kleine Unternehmen steuerfrei übertragen werden, die sich tendenziell eher mit Liquiditätsengpässen konfrontiert sehen als größere Unternehmen.

4. Progressive Steuersätze

Für den Wert der Erbschaften und Schenkungen, die den persönlichen Lebensfreibetrag von einer Million Euro bzw. den gesonderten Freibetrag für Unternehmensvermögen übersteigen, gilt ein progressiver Stufentarif. Der Verwandtschaftsgrad und die Art des Vermögens haben dabei keinen Einfluss auf die Höhe der Steuersätze.

Der konkrete Tarif muss von der Politik bestimmt werden. Der Eingangssteuersatz könnte etwa bei 15 Prozent liegen und entsprechend der Vermögenshöhe bis zu 25 oder 30 Prozent ansteigen.

Wenn beispielsweise ein sehr großes Unternehmen für steuerliche Zwecke mit dem zehnfachen seines Jahresgewinns bewertet und dann etwa mit 20 Prozent besteuert wird, entspricht die Steuerschuld etwa dem Gewinn von zwei Geschäftsjahren.

Zum ausführlichen Vorschlag hier entlang.

Der Vorschlag wurde auf Grundlage von Diskussionen der Arbeitsgruppe Vermögen & Erbschaft des Netzwerk Steuergerechtigkeit erstellt.  Verantwortlich ist die Autorin Julia Jirmann.

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