Steuerprivilegien bei Erbschaften und Schenkungen: Negative Auswirkung auf die Verteilungsgerechtigkeit

Die Ausnahmen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer für Unternehmensübergänge haben negative Folgen auf die Verteilungsgerechtigkeit. Das ergibt die Sonderauswertung der Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik der Jahre 2009-2020 im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. 

Die Erbschaftsteuer soll „leistungslose“ Zuflüsse progressiv belasten und sich damit positiv auf die Chancengleichheit in der Leistungsgesellschaft auswirken sowie die Vermögenskonzentration begrenzen. Umfangreiche Steuerausnahmen für Unternehmensvermögen wirken diesem Ziel entgegen. Zudem verzichtet der Staat auf hohe Steuereinnahmen. Die Sonderauswertung der Erbschaft- und Schenkungsteuertsatistik zeigt: In den Jahren 2009 bis 2020 wurden 429 Milliarden Euro Vermögen zugunsten von Einzelpersonen und Stiftungen aufgrund der Unternehmensprivilegien steuerfrei gestellt (ohne Steuererlass durch die Verschonungsbedarfsprüfung).

Zwei Drittel des steuerbefreiten Vermögens geht an wenige Einzelpersonen 

Die Sonderauswertung der Steuerstatistik zeigt zudem, dass ein erheblicher Anteil von 64 Prozent (260 Milliarden Euro) des steuerfrei übertragenen Unternehmensvermögens auf wenige Großerwerbe mit einem Wert jenseits von 20 Millionen Euro entfällt (3.236 Fälle). Legt man den bei diesen hohen Übertragungen geltenden Steuersatz von mindestens 27 Prozent zugrunde, wurde allein in diesen wenigen Fällen auf Steuereinnahmen von über 70 Milliarden Euro verzichtet. Für Erwerbe ab 26 Millionen Euro ist zwar seit der letzten Erbschaftsteuerreform am 1. Juli 2016 keine 100-prozentige Steuerbefreiung mehr möglich, allerdings ein bis zu 100-prozentiger Steuererlass. Jedoch enthält die Statistik dazu keine Information. Stattdessen werden in der Steuerstatistik ab 2016 Steuern auf Unternehmensübergänge als festgesetzt ausgewiesen, obwohl diese im Nachgang gegebenenfalls erlassen werden. Demzufolge dürften die tatsächlichen Steuereinnahmen auf Erwerbe über 26 Millionen Euro niedriger ausfallen, als die Statistik suggeriert.

Gender Gift Gap

Im Weitern legt die Analyse dar, in welchem Ausmaß Frauen beim Erhalt von Erbschaften und insbesondere bei Schenkungen im engsten Familienkreis benachteiligt werden. Bei Übertragungen in nahezu allen Größenkategorien überwiegen die Fälle mit einem Mann als Erwerber, besonders deutlich wird der Unterschied aber bei großen Erbschaften, den besser planbaren Schenkungen und den steuerbegünstigten Übertragungen. Zudem gilt: Bei den hohen Erwerben ab 5 Millionen Euro, die vor allem aus Unternehmensübertragungen bestehen, nimmt mit der Höhe der Übertragung die Wahrscheinlichkeit stetig ab, dass eine Frau das Vermögen erhielt. Am deutlichsten zeigt sich der Gender Gift Gap bei den steuerfreien Unternehmensübertragungen. Bei den hohen steuerfreien Schenkungen sind Frauen deutlich in der Minderheit – entsprechend profitieren Männer stärker von der Steuersubvention. Insgesamt bekommen nur halb so viele Frauen wie Männer steuerfreie Unternehmensvermögen geschenkt oder vererbt. Über die Gründe für diesen Gender Gift Gap gibt die Steuerstatistik keine Auskunft. Vor dem Hintergrund bestehender ungleicher Vermögensverhältnisse zugunsten von Männern  verfestigen regressive Erbschaftsteuersätze den Status quo, weil sie die ohnehin höheren Erwerbe von Männern subventionieren.

Subvention landet fast ausschließlich in Westdeutschland

Ferner belegt die Analyse das starke Ost-West-Gefälle bei Erbschaften und Schenkungen. Systembedingt konnten Menschen in der DDR weniger privates Vermögen aufbauen und an die nachfolgenden Generationen weitergeben als Menschen in Westdeutschland. Entsprechend sind die individuellen Nettovermögen in Ostdeutschland deutlich geringer als in den alten Bundesländern. Die Sonderauswertung nach der Ansässigkeit der Erwerber*innen zeigt, dass sich diese Unterschiede auch 20 bis 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch stark in der Vermögensübertragung und damit auf die Vermögenssituation der nächsten Generationen niederschlagen. Menschen in den neuen Ländern erhalten nicht nur seltener Transfers, sie erhalten auch deutlich kleinere Summen. Die steuerfreien Unternehmensübergänge und dementsprechend die Steuersubventionen erhalten nahezu ausschließlich Menschen in Westdeutschland (zu 98,4%). Auch hier konterkarieren die regressiven Steuersätze die Wirkung der Erbschaftsteuer gegen die massive Vermögenskonzentration in Westdeutschland.

40 Minderjährige erhalten 33 Milliarden Euro steuerbefreites Vermögen

Das Ausmaß, in dem bereits Minderjährige Erbschaften und Schenkungen erhalten und dabei von den steuerlichen Subventionen profitieren, ist bedenklich. Zwölf Prozent aller steuerfreien Unternehmensübertragungen entfallen auf Kinder unter 14 Jahren. In 40 Fällen wurde einem Kind unter 14 Jahren ein Vermögen von mindestens 250 Millionen Euro übertragen. Diese 40 Übertragungen hatten einen Gesamtwert von 33,3 Milliarden Euro und blieben zu 99 Prozent steuerfrei. Die hohe Zahl der Unternehmensübertragungen an Kinder dürfte zwar zu einem überwiegenden Anteil auf die Vorzieheffekte der Reform 2016 zurückzuführen sein, machen aber einen Teil der Problematik der Unternehmensprivilegien bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer deutlich: Personen, die als reine Anteilseigner*innen keine besonderen Funktionen im Unternehmen ausüben oder unternehmerischen Risiken tragen, erhalten Steuersubventionen im dreistelligen Millionenbereich oder sogar im Milliardenbereich. Gleiches gilt für viele erwachsene Erb*innen von Anteilen an größeren Familienunternehmen, denn ein aktives Engagement im Unternehmen ist keine Voraussetzung für den Erhalt der Steuervorteile. In diesen Fällen werden hohe Subventionen gewährt, ohne dass Arbeitsplätze oder die Existenz des Unternehmens gefährdet sind. Die Gesetzesbegründung stützt die Begünstigungen allerdings vor allem auf den Erhalt der mittelständischen Unternehmenskultur in Deutschaland.

Familienstiftungen als wirksames Steuersparmodell

Zudem zeigt die Auswertung, dass die Erbschaft- und Schenkungsteuer bei privatnützigen Stiftungen praktisch kaum Relevanz hat. Zu 95 Prozent wurden die steuerpflichtigen Vermögenstransfers (bzw. der Anfall der Erbersatzsteuer) auf privatnützige Stiftungen aufgrund der Ausnahmen für Unternehmensübergänge von der Steuer befreit. Auch die Erbschaftsteuerreform 2016 dürfte daran wenig ändern, da die Voraussetzungen für einen Steuererlass gemäß der neuen Verschonungsbedarfsprüfung besonders einfach von „vermögensarmen“ Stiftungen zu erfüllen sind. Ganz im Gegenteil, dürfte die Zunahme der Gründung von privatnützigen Familienstiftungen drauf hindeuten, dass das steuerlich verschonte Vermögen im Zusammenhang mit Stiftungen zukünftig steigt.

Die Ergebnisse im Überblick:

  • In 3.630 Fällen (0,16 Prozent) wurde ein Vermögen von mindestens 20 Millionen Euro übertragen. In 3.236 Fällen kamen dabei Begünstigungen für Unternehmensvermögen zur Anwendung. Auf diese wenigen Fälle entfallen 64 Prozent des gesamten weitergereichten steuerbefreiten Vermögens (260 Milliarden Euro). Legt man den bei diesen hohen Übertragungen geltenden Steuersatz von mindestens 27 Prozent zugrunde, wurde allein in diesen wenigen Fällen auf Steuereinnahmen von über 70 Milliarden Euro verzichtet.
  • 26 Prozent des gesamten steuerbefreiten Volumens entfallen auf Erwerbe von mindestens 250 Millionen Euro, die an 173 Personen gingen.
  • Kinder: Zwölf Prozent aller steuerfreien Unternehmensübertragungen entfallen auf Kinder unter 14 Jahren. In 40 Fällen wurde einem Kind unter 14 Jahren ein Vermögen von mindestens 250 Millionen Euro übertragen. Diese 40 Übertragungen hatten einen Gesamtwert von 33,3 Milliarden Euro und blieben zu 99 Prozent steuerfrei. 220 Kinder erhielten mehr als 20 Millionen Euro und zusammen 43 Milliarden Euro.
  • Gender Gift Gap: Bei Erwerben von über 20 Millionen Euro war nur in 39 Prozent der Fälle eine Frau die Begünstigte, Frauen erhielten 37,6 Prozent des weitergereichten Vermögens dieser Gruppe. Bei Erbschaften und Schenkungen von mindestens 250 Millionen Euro haben nur in 32 Prozent aller Fälle Frauen profitiert, die 36 Prozent des steuerbefreiten Unternehmensvermögens erhielten. Die Steuersubvention für Unternehmensübertragungen begünstigt demnach überwiegend Männer.
  • Ost/West: In den Jahren 2009 bis 2020 erhielten nur 28 im Osten ansässige Personen einen Transfer von mehr als 26 Millionen Euro. Nur zwei Prozent beziehungsweise 6,8 Milliarden Euro des veranlagten Erb- und Schenkungsvolumen wurden auf Menschen in Ostdeutschland übertragen. Beim steuerbefreiten Unternehmensvermögens waren es noch weniger (1,6 Prozent). Die Steuersubvention für Unternehmensübertragungen erhalten demnach nahezu vollständig Menschen in Westdeutschland.
  • Stiftungen: Erwerbe von 19 Milliarden Euro blieben aufgrund der Ausnahmen für Unternehmensübergänge von der Besteuerung ausgenommen. In 53 Fällen wurden privatnützige Familienstiftungen bei der Erbersatzsteuer steuerlich begünstigt. Dabei wurden 8,8 Milliarden Euro Vermögen von der Steuer befreit. Auf die 3 größten Fälle entfallen davon 8,4 Milliarden Euro.

Zur vollständigen Studie

ZEIT-Beitrag zur Studie – Das sind die Schlupflöcher der Superreichen

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