40 Jahre Lobby gegen Konzerntransparenz – Oxfam Aktion in Brüssel deckt Deutschlands Bremserrolle auf

Der Rat für Wettbewerbsfähigkeit der EU muss bei seinem heutigen Treffen in Brüssel für öffentliche länderbezogene Konzernbilanzen stimmen, sonst droht diese wichtige Initiative zur Bekämpfung der Armut im Lärm der Europawahlen in Vergessenheit zu geraten. Und Deutschland muss endlich aufhören, die Reform zu blockieren!
Oxfam hat dies heute in Form eines Stunts vor der Europäischen Kommission in Brüssel in Erinnerung gerufen und dabei auch auf Deutschlands Bremserrolle aufmerksam gemacht. Fotos der Aktion befinden sich auf dem Twitter Account von Oxfam EU!
In der Debatte um die zig Milliarden Euro, die Staaten durch Steuervermeidungstaktiken von Firmen wie Apple, Google & Co. jedes Jahr entgehen, ist die Informationslage ungleich verzerrt: Während Firmen behaupten, die Strategien zur Senkung ihrer Steuerpflicht seien rechtmäßig, sind die Möglichkeiten der Öffentlichkeit dies nachzuvollziehen extrem beschränkt. Dabei gäbe es eine einfache Lösung, diese Informationslücke zu füllen: Öffentliche länderbezogene Konzernbilanzen, die aufzeigen, wie viele Beschäftigte, wie viel Umsatz, und welche Kapitalbestände auf jedes Land entfallen und welcher Steuerbeitrag wo geleistet wurde.
Die Idee ist bei weitem nicht neu: Ein ähnlicher Vorschlag wurde bereits von der 1975 einberufenen Kommission für transnationale Unternehmen der Vereinten Nationen gemacht. Wie ein im April veröffentlichter Bericht des Tax Justice Network zeigt, wurden dieser und weitere derartige Vorschläge über die letzten 40 Jahre fortwährend von Lobbyisten betroffener Unternehmen sowie von OECD-Staaten verhindert. Und dies trotz der breiten Unterstützung der Öffentlichkeit und vieler Regierungen für die Maßnahme.
Die Rolle Deutschlands
Auch Deutschlands Rolle im Kampf um mehr Transparenz war bislang alles andere als rühmlich – obwohl das Interesse groß sein müsste: Angesichts der entgangenen Steuereinkünfte in Milliardenhöhe durch Steuertaktiken von Apple & Co. zeigte sich auch die Bundesregierung zurecht empört. In einer gemeinsamen Lobby-Anstrengung schafften es Vertreter deutscher multinationaler Konzerne dennoch, den ehemaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble davon zu überzeugen, dass Intransparenz im deutschen Interesse sei. Im Europäischen Rat gesellte sich Schäuble somit zu Irland, Luxemburg, Malta und anderen, um eine Reform zu verhindern.
Auch das deutsche Netzwerk Steuergerechtigkeit sowie die deutsche Nichtregierungsorganisation „Campact“ fordern in einer aktuellen Kampagne die deutsche Bundesregierung auf, öffentliche länderbezogene Konzernbilanzen zu unterstützen. Allen voran die SPD-geführten Ministerien für Justiz und Finanzen sind gefragt, dieser historischen Transparenzmaßnahme notfalls auch ohne den Koalitionspartner zum Durchbruch zu verhelfen.
Stimmen vom Tax Justice Network
Markus Meinzer vom Tax Justice Network: „Jetzt ist der Moment für die neue Bundesregierung gekommen um Farbe zu bekennen und sich für öffentliche länderbezogene Konzernbilanzen einzusetzen. Nur so kann die Öffentlichkeit sowohl Konzerne als auch Regierungen zu nachhaltigem Umsteuern bewegen und Populisten an den Rändern zurückdrängen. Die SPD darf sich nicht länger hinter den fadenscheinigen Ausflüchten der Konzernlobby oder dem Koalitionsvertrag verstecken.“
Moran Harari vom Tax Justice Network: „Das Tax Justice Network hat seit seiner Gründung im Jahr 2003 die Idee der öffentlichen länderspezifischen Konzernbilanz gefördert und weiterentwickelt, da diese für eine effektive Transparenz und die Verhinderung der Ausnutzung von Steuerschlupflöchern durch multinationale Unternehmen von entscheidender Bedeutung ist. Öffentliche länderspezifische Konzernbilanzen würden eine dramatische Veränderung der Rechenschaftspflicht sowohl von multinationalen Unternehmen als auch von Regierungen ermöglichen. Jeder andere Weg bedeutet, dieses wichtige Ziel zu verfehlen.“

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