Steuergerechtigkeitscheck Mai 2025: Weiter so – statt Gerechtigkeitswende

Der Kanzler ist gewählt, der Koalitionsvertrag unterzeichnet. Damit stehen auch die steuerpolitischen Pläne der GroKo für die kommenden Jahre fest. Dass dabei Gerechtigkeit und Klima zu kurz kommen war schon in den Sondierungspapieren absehbar und ist in unserem letzten Newsletter beschrieben. Unsere ausführliche Analyse des Koalitionsvertrags bestätigt: Von den Plänen profitieren zuerst Unternehmen, große Vermögen und lautstarke Interessengruppen. Kleine und mittlere Einkommen werden vermutlich leer ausgehen – weil es bisher an konkreten Plänen zur Gegenfinanzierung ihrer Entlastung fehlt. Also weiter wie bei der GroKo 2005? Hoffentlich nicht!

Der Newsletter steht dieses Mal im Zeichen des Kampfes gegen Steuerhinterziehung und Steueroasen – Von den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes über den Kampf gegen Gewerbesteueroasen bis zur Suche nach Cum-Cum-Seitenwechslern. Im Zentrum dabei: Der Finanzminister aus NRW und die EU.

In unserem Podcast (Spotify, Apple Podcasts, YouTube) war dieses Mal die Politikwissenschaftlerin Martyna Linartas zu Gast. Sie stellt ihr kürzlich erschienenes Buch “Unverdiente Ungleichheit. Wie der Weg aus der Erbengesellschaft gelingen kann” vor und erklärt warum auch in unserer Demokratie, die Interessen der Reichen ein höheres Gewicht haben. Dazu gibt es natürlich wie immer die wichtigsten Updates aus unseren Arbeitsbereichen auch zum Nachhören.

Viel Spaß dabei!

+++Etappe 1 der Bürgerdebatte erreicht+++Bundesrechnungshof (unter)schätzt Umsteuerungspotenzial+++OECD zeigt: Arbeit noch stärker belastet+++EU zögert beim Kampf gegen Steueroasen+++NRW kämpft gegen Gewerbesteueroasen+++NRW-Finanzminister sucht Cum-Cum-Seitenwechsler+++Cum-Ex Professor bekommt Besuch von der Staatsanwaltschaft+++

Neues aus dem Netzwerk

Etappe 1 der Bürgerdebatte erreicht:Mit mehr als 2.000 Vorschlägen und über 300.000 Stimmen haben wir ein gutes Stimmungsbild, darunter typische Missverständnisse, Konflikte und auch einige kreative Kompromisse. Die Auswertung und die Vorbereitung auf die Debatte in Erfurt laufen auf Hochtouren.

Petition “Tax the Rich” gestartet: Für die Bundestagspetition hat Attac am 1. Mai bereits mehr als 10.000 von 30.000 Unterschriften gesammelt. Die Unterzeichnung ist in Kürze auch Online möglich: https://www.attac.de/kampagnen/tax-the-rich/kampagne-tax-the-rich

Bundesrechnungshof (unter)schätzt Umsteuerungspotenzial

Ein neuer Bericht des Bundesrechnungshofs empfiehlt der Bundesregierung 22 Maßnahmen um die Einnahmebasis zu stärken und beziffert die Mehreinnahmen auf 30 Milliarden Euro – vor allem durch den Abbau von Subventionen wie dem Dieselprivileg oder einer Reform der Mehrwertsteuer. Anders als in unserem Jahrbuch Steuergerechtigkeit fehlt aber eine systematische Analyse der Gerechtigkeitslücken. Dafür finden sich über den Bericht verteilt vor allem zum Kampf gegen Steuerhinterziehung ein paar spannende Empfehlungen, z.B. die unterstützende Rolle des BZSt bei den Ertragsteuern zu stärken, die länderbezogenen Berichte für den Kampf gegen Gewinnverschiebung zu nutzen oder die risikoorientierte Arbeit der Finanzkontrolle-Schwarzarbeit durch bessere Daten zu stärken. Eine Schätzung, wie hoch der Schaden durch Steuerhinterziehung ist und wie viele Mehreinnahmen realistisch wären, findet sich im Bericht leider nicht.

OECD: Weniger Steuern, aber höhere Abgaben auf Arbeit

Deutschland ist Niedrigsteuerland für Vermögen und belastet dafür durchschnittliche Arbeitseinkommen im internationalen Vergleich besonders stark. Dennoch sieht der Koalitionsvertrag weitere Entlastungen für hohe Vermögenseinkommen vor.

Laut eines aktuellen Berichts der OECDist die Belastung für durchschnittliche Arbeitseinkommen zuletzt weitgehend konstant geblieben. Im Jahr 2024 betrug die Differenz zwischen Arbeitgeberbrutto und Nettolohn für einen durchschnittlich verdienenden, alleinstehenden Vollzeitbeschäftigten 47,9 Prozent. Bezogen auf das Arbeitnehmerbrutto – also jenes, das auf der Lohn- oder Gehaltsabrechnung steht – von rund 63.000 Euro ergeben sich Abzüge von 37,4 Prozent. Wenn diese Person verheiratet ist und alleinverdienend ist und zudem zwei Kinder hat, beträgt der Abzug allerdings nur 19,8 Prozent vom Arbeitnehmerbrutto und 33,3 Prozent vom Arbeitgeberbrutto, weil das Kindergeld dann höher ist als die Einkommensteuer. Die Inflationsanpassung beim Einkommensteuertarif hat zwar die Steuerbelastung leicht gesenkt (-0,26 Prozentpunkte), gleichzeitig sind jedoch die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung gestiegen – und zwar sogar etwas stärker als der Rückgang bei den Steuern. Insgesamt ergibt sich dadurch ein um 0,08 Prozentpunkte höherer Abgabensatz. Besserverdienende (167 Prozent des Durchschnittseinkommens) wurden dagegen um 0,09 Prozentpunkte entlastet, weil die Sozialbeiträge gedeckelt sind.

Kampf gegen Steueroasen: Die EU zögert!

Beim Kampf gegen die Gewinnverschiebung großer US-Konzerne steht aktuell die EU im Mittelpunkt. Sie verhandelt mit den USA über die Umsetzung der globalen Mindeststeuer und erwägt die Einführung einer Digitalsteuer nach französischem Vorbild. Ein vertrauliches Papier der polnischen Ratspräsidentschaft zeigt: Beim OECD-Treffen Anfang April haben sich alle großen Staaten bereit erklärt, weiter zu verhandeln, auch die USA. Die EU hat jetzt eine Arbeitsgruppe gegründet, um Kompromisse zur globalen Mindeststeuer auszuarbeiten. Drei der vier Szenarien sehen eine Schwächung vor. Statt die großen Wettbewerbsnachteile für die europäischen Unternehmen durch die Gewinnverschiebung der US-Konzerne aktiv zu beseitigen, scheinen die Ratspräsidentschaft genauso wie die Lobbyverbände eher darauf bedacht, weitere Nachteile zu minimieren.

(Zum Weiterlesen: https://www.politico.eu/article/global-minimum-tax-donald-trump-eu-countries-deal/)

Kampf gegen Gewerbesteueroasen: Von zwei Seiten unter Beschuss.

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hat laut einem spannenden Bericht in der WirtschaftsWoche die nächste Anklage wegen Gewinnverschiebung in eine Gewerbesteueroase erhoben (bisher: eine Verurteilung, ein Freispruch). Auch im Rest der Republik laufen die Ermittlungen anscheinend langsam an. Überraschenderweise hat sich auch die neue Bundesregierung darauf geeinigt, den Mindeststeuersatz anzuheben, allerdings nur wenig. Das Modell Gewerbesteueroase ist also gleich von zwei Seiten unter Beschuss.

Weitere Nachrichten:

  • Eine neue Studie des EU Tax Observatory zeigt: Trotz der Maßnahmen gegen Steuervermeidung ist der effektive Steuersatz großer EU-Unternehmen zwischen 2014 und 2022 schneller gesunken als der nominelle Steuersatz in den EU-Ländern. Grund dafür sind steuerliche Anreize, die die Bemessungsgrundlage verkleinern. Deutschland liegt mit der Ankündigung von Investitionsanreizen also voll im Trend und befeuert gleichzeitig den Wettlauf nach unten mit der angekündigten Steuersatzsenkung weiter.
  • Ein neuer Bericht von Follow the Money zeigt, wie Tesla Gewinne aus dem Werk in Brandenburg in die Niederlande verschiebt.
  • Eine neue Analyse vom Fair Tax Mark beziffert den durchschnittlichen Steuersatz der 6 großen US-Digitalkonzerne (Silicon Six) von 2015 bis 2024 auf 18,8 Prozent. Im Vergleich zu den vorherigen Analysen gibt es wenig Neuigkeiten. Amazon liegt (wegen der niedrigeren Umsatzrendite) zu Unrecht auf Platz 1 der größten Steuervermeider, der gebührt eher Netflix und Meta.
  • Eine neue EU-Richtlinie regelt die Steuererklärung zur globalen Mindeststeuer in der EU. Sie ermöglicht die einmalige Abgabe und den automatischen Austausch dieser Erklärung und enthält ein Standardformular (DAC 9).

NRW-Finanzminister sucht Seitenwechsler für den Cum-Cum-Umschwung

Für die Ermittlung zu Cum-Cum sucht NRW-Finanzminister Optendrenk Quereinsteiger für die Steuerfahndung, die berufliche Berührungspunkte mit diesen internationalen Finanzgeschäften hatten. Auch IT-ler für die Auswertung der riesigen Datenberge werden gesucht. Mit dem neuen Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität sind die Voraussetzungen für eine zentrale Bekämpfung von komplexen Sachverhalten geschaffen. Schließlich hat der Minister in Siegburg gerade ein modernes Gericht extra für Cum-Ex-Verfahren feierlich eröffnet.

Macht das Bundesland jetzt Ernst im Kampf gegen Steuerhinterziehung? Das Handelsblatt zeigt sich eher frustriert: “Gerichtsgebäude symbolisiert den Stillstand der Strafverfolgung.” Das neue Gebäude steht vorerst nämlich leer. Die Anklagen in der Causa Cum-Ex lassen weiter auf sich warten. Vielleicht füllen sich die leeren Bänke demnächst auch mit Cum-Cum-Fällen, wenn Politik, Justiz und Steuerverwaltung an einem Strang ziehen?

Weitere Nachrichten zu Cum-Ex und Cum-Cum:

  • Kampf vor Gericht und im Buchladen: Cum-Ex-Kronzeuge Kai-Uwe Steck und Ex-Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker streiten sich vor Gericht – und veröffentlichen wohl beide bald ein Buch. Brorhilker ist allerdings einen Schritt voraus: Ihr Buch ist bereits auf den November terminiert. Das Urteil im Prozess gegen Steck, in der er Brorhilker unter anderem beschuldigt, ihn als Kronzeugen ausgenutzt und Versprechen zur Straffreiheit gebrochen zu haben, wird dann schon gefallen sein; es wird für Juni erwartet.
  • Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt laut Tagesschau wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung gegen einen Professor, der Gutachten zu Cum-Ex geschrieben hat und hat jetzt dessen Büroräume durchsucht.
  • Finanzwende Recherche stellt in einem aktuellen Bericht die große Rolle der Sparkassen bei Cum-Cum-Geschäften heraus, die von Verbänden und lokalen Verantwortlichen noch immer kleingeredet wird.

Aus der Finanzverwaltung:

  • Eine 2021 vom Bundeszentralamt für Steuern gekaufte Daten-CD mit Steuerinformationen aus Dubai hat für Hessen bisher Mehreinnahmen in Höhe von 400.000 Euro ergeben (Pressemitteilung der hessischen Finanzverwaltung).
  • Das niedersächsische Finanzministerium hat Ende April ein anonymes Hinweisgebersystem eingeführt, über welches online mögliche Steuerdelikte gemeldet werden können. Ein ähnliches System gibt es bereits in Baden-Württemberg. (Pressemitteilung des niedersächsischen Finanzministeriums).
  • NRW setzt als erstes Bundesland ein KI-Modul zur automatisierten Bearbeitung einfacher Veranlagungsfälle ein. Das Modul ist ein Pilot, der im Rahmen von KONSENS später auch in anderen Bundesländern eingesetzt werden soll.
  • Die Trump-Regierung sorgt für Massenentlassungen beim Global High Wealth Program der US-Steuerbehörde.

Zur Geldwäsche:

  • BaFin veröffentlicht eine Übersicht über typische Geldwäschemethoden im Iran-Geschäft.
  • Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt: Geldwäschefälle um 13 Prozent (+5.090) gestiegen.
  • Analyse der Uni Trier zeigt: Geldwäscheverdachtsmeldungen im Immobilienbereich schwanken zwischen weniger als 0,5 Prozent (Bremen, Niedersachsen, Hessen) und fast 2 Prozent (Bayern und Berlin) vom Transaktionsvolumen.

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