Follow the Money: Geographische Risikobewertung bei der Geldwäsche neu gedacht

Geldwäsche und Korruption verringern wichtige Einnahmen für Entwicklungsländer

Gastbeitrag von Markus Meinzer (Tax Justice Europe)

Die neue EU-Geldwäsche-Verordnung (EU 2024/1624) definiert Finanzgeheimhaltung ausdrücklich als geographischen Risikofaktor, den Verpflichtete bei Anwendung ihrer Kundensorgfaltspflichten gegenüber Drittländern künftig berücksichtigen müssen. Finanzgeheimhaltung entsteht nach der Verordnung etwa, wenn Länder den Informationsaustausch behindern, keine Register für wirtschaftlich Berechtigte führen oder ein strenges Bankgeheimnis haben. Diese Faktoren überlappen mit den Indikatoren des Schattenfinanzindex und eröffnen damit die Möglichkeit, geographische Risiken in der Geldwäscheprävention evidenzbasierter und weniger politisch beeinflusst zu erfassen.

Klassische Hochrisikoländerlisten (sogenannte „Blacklists“) greifen zu kurz: Sie sind politisch beeinflusst, binär (ja-nein) und damit unterkomplex und riskieren diskriminierende Effekte. Diese Listen zielen meist auf kleine Länder oder solche mit geringem Einkommen ab, während große Finanzzentren oft unberücksichtigt bleiben. Deswegen stehen diese etwa durch den IWF in der Kritik, und deswegen hat die FATF Besserung gelobt. Eine datengestützte Bewertung kann diese Verzerrung ausgleichen und die Aufmerksamkeit auf jene Länder bzw. Transaktionen lenken, die tatsächlich ein hohes Risiko für Geldwäsche darstellen.

Vor diesem Hintergrund hatte ich am 26. September die Ehre beim Gesprächskreis „Geldwäschebekämpfung im Raum Berlin-Brandenburg“ ein geographisches Risikomodell zur Geldwäsche unter Nutzung der Daten des Schattenfinanzindex vorzustellen (hier sind meine Folien). Es basiert auf Ergebnissen des EU-geförderten TRACE-Forschungsprojekts (Horizon 2020) und wird in einem wissenschaftlichen Beitrag, der von Cambridge University Press zur Veröffentlichung angenommen wurde, näher ausgeführt (siehe eine Working Paper Version hier).

Der Schattenfinanzindex („Financial Secrecy Index“, FSI) bewertet 141 Länder anhand von 20 Indikatoren. Der Geheimhaltungswert bildet auf einem Spektrum von 0 bis 100 das Ausmaß der Finanzgeheimhaltung in jedem Land ab und liefert damit eine objektive Grundlage für geographische Risikomodelle. Die zugrundeliegende Datenbank ist nach wissenschaftlichen Standards aufgebaut und macht eine unerreichte Fülle  und Tiefe vergleichender juristischer Daten und Lückenanalysen in über 120 Datenpunkten pro Land öffentlich zugänglich.

Das vorgestellte Modell kombiniert den Geheimhaltungswert mit dem Transaktionsvolumen und errechnet daraus einen Risikoscore für jede Transaktion bzw. Verdachtsmeldung. Verdachtsmeldungen lassen sich so priorisieren – besonders wichtig angesichts der großen Mengen, die sowohl täglich bei der FIU eingehen oder beim Transaktionsmonitoring von Verpflichteten anfallen. Dieses Modell kann als Sicherheitsnetz dienen, damit keine großen (Geldwäsche-)Fische durchs Netz anderer Risikobewertung schlüpfen.

Beispielhaft haben wir diese Methode auf die FinCEN-Files angewendet, einen Datensatz mit über 18.000 Geldwäscheverdachtsmeldungen aus den USA. Unser Modell kann nicht nur FIUs, sondern auch Banken und anderen Verpflichteten dabei helfen, Meldepflichten gezielter und effizienter zu erfüllen und das Risiko von Bußgeldern zu reduzieren. Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden können Verdachtsmeldungen nach Dringlichkeit sortieren und nationale Risikoanalysen datenbasiert untermauern.

Das Modell ist modular erweiterbar – etwa für Sektoren wie Immobilien oder Kryptowährungen – und lässt sich über Feedbackschleifen kontinuierlich verbessern. Mittels anonymisierter Datenpakete aus FIUs, Aufsichtsbehörden oder von Verpflichteten ließe sich das Modell noch weiter verfeinern und kalibrieren, um die besten Ergebnisse zu erzielen und falsch-positiven Meldungen zu reduzieren. Darum sind wir offen für Partnerschaften mit Behörden, Aufsicht und aus dem Privatsektor bzw. dem Verpflichtetenkreis, um Geldwäschebekämpfung und Risikobewertung weiter zu verbessern. Eine datenbasierte geographische Risikobewertung könnte zu einer gezielteren Ressourcenverwendung führen und damit die Geldwäschebekämpfung deutlich effektiver machen.

Die Europäische Union könnte an dieser Stelle durchaus noch ambitionierter sein: denn die oben angesprochene Berücksichtigung der Finanzgeheimhaltung als geographischer Risikofaktor ist laut der EU-Geldwäscheverordnung nur für nicht-EU Mitgliedsstaaten vorgeschrieben („Drittstaaten“). Selbstverständlich können Verpflichtete jedoch darüber hinaus gehen und die gleichen Risikoparameter auch für Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen innerhalb von EU-Staaten anlegen. Denn dass Finanzgeheimhaltung und Geldwäscherisiken in der EU kein Problem sind geht an der Realität weit vorbei.

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