Steuergerechtigkeitscheck August 2025: Neues aus dem Sommerloch

Nach stressigen Wochen und Monaten kehrt bei uns etwas Ruhe ein – wenn man von den zwei großen Gesetzespaketen aus dem Finanzministerium mal absieht und sich über die mal wieder extrem kurzen Kommentierungsfristen nicht zu sehr aufregt. Hoffentlich genießen auch Sie die Sommerpause. In unserem Newsletter und Podcast haben wir trotzdem wieder die spannendsten Neuigkeiten aus dem Bereich Steuergerechtigkeit für Sie zusammengetragen. Viel Spaß damit.
+++Gerechte Finanzierung für den Sozialstaat+++Volksabstimmung zur Vermögensteuer+++Digitalabgabe – eine gute Idee+++Neues aus New York+++Umweltbezogene Steuern weiterhin niedrig+++Letzte Chance für Cum-Ex Konsequenzen?+++
Steuern für Gerechtigkeit
Sozialstaat unter Druck? Zeit für eine gerechte Finanzierung!
Der Sozialstaat steht unter Druck. Den gesetzlichen Versicherungen für Rente, Krankheit, Pflege und Arbeitslosigkeit fehlt Geld und es drohen Beitragssteigerungen und Leistungskürzungen. Ein wichtiger Grund dafür: Aus den Beiträgen der Versicherten werden seit Jahren Leistungen finanzierte, die der gesamten Gesellschaft zugutekommen – von Kindererziehungszeiten bis zum West-Ost-Transfer bei den Renten. Für den Sozialverband VdK und gemeinsam mit Fiscal Future haben wir uns in den letzten Monaten angeschaut, wie groß diese versicherungsfremden Leistungen sind und wie man sie gerecht finanzieren könnte.
Das Ergebnis: Den Sozialversicherungen fehlen pro Jahr rund 87 Milliarden Euro für Leistungen, die eigentlich aus Steuermitteln finanziert werden müssten. Wenn man diese über Sozialbeiträge finanziert, trifft das vor allem mittlere und niedrige Einkommen, während hohe Einkommen durch Beitragsbemessungsgrenzen oder private Versicherungen nicht an der Finanzierung beteiligt werden. Schließt man stattdessen die Gerechtigkeitslücken im Steuersystem und verwendet Mehreinnahmen für höhere Zuschüsse zu den Sozialversicherungen, sorgt man gleich doppelt für mehr Gerechtigkeit. Die grundsätzliche soziale Alternative ist weiterhin die Einbeziehung aller dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung und die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung. Eine Basisrente und die Krankenversorgung und Pflege sind allgemeine Sozialleistungen und müssen von allen Einkommen finanziert werden.
Weitere Nachrichten aus dem Bereich Gerechtigkeit:
- Volksabstimmung zur Vermögensteuer: Die Zustimmung zu einer Vermögensteuer ist in der Bevölkerung seit Jahren hoch. Wie stark sie aktuell ist, soll eine bundesweite Befragung der Bürgerbeteiligungs-Initiative ABSTIMMUNG21 zeigen. Die Abstimmung läuft noch bis zum 10. August und kann per Briefwahl oder online erfolgen. Die Ergebnisse werden im Oktober verkündet. 👉 Hier geht’s zur Teilnahme.
- Unterstützt das Finanzministerium jetzt die Milliardärsteuer? Sowohl die Linke als auch die Grünen haben nachgefragt. Das Finanzministerium hat geantwortet. Die Bundesregierung setzt sich “für das Schließen bestehender Steuerschlupflöcher sowie für eine gerechte und effektive Besteuerung von sog. Superreichen ein” und beruft sich dabei vor allem auf den Beschluss der G20 aus dem letzten November, den Finanzminister Lindner zwar abgeschwächt, aber nicht verhindert hat. Bei der neuen Koalition der Willigen von Brasilien und Spanien ist die Bundesregierung aber auch unter Finanzminister Klingbeil noch nicht dabei.
- Steuerfreiheit für Überstundenzuschläge verschärft Ungleichheiten: Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen. Sie begünstigt vor allem Vollzeitkräfte und Menschen mit höheren Einkommen. Die überwiegend weiblichen Teilzeitbeschäftigten bleiben dagegen außen vor. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schätzt die Mindereinnahmen auf 400 bis 600 Millionen Euro jährlich.
Digitalabgabe – eine gute Idee, aber…
In den letzten Wochen gab es auch innerhalb der Union eine kontroverse Debatte über die Besteuerung der großen Digitalkonzerne. Jens Spahn hält es zwar für “nicht fair”, dass “Amazon und Co.” hier wenig Steuern zahlen, will aber eine “Eskalationsspirale” mit den USA vermeiden. Donald Trump eskaliert trotzdem. Wirtschaftsministerin Reiche will “nicht über mehr, sondern über weniger Handelshemmnisse sprechen” und “Wettbewerbsbedingungen für deutsche und europäische Digitalunternehmen verbessern”. Die US-Konzerne werden so niedrig besteuert und so wenig reguliert, dass man nur hoffen kann, dass fairer Wettbewerb auf dieser Basis eigentlich nicht möglich ist. Auch die EU verzichtet in ihrem Haushaltsvorschlag aber leider vorerst auf die Digitalsteuer.
Eine aktuelle Studie schätzt anhand öffentlich einsehbarer Daten, dass bei Amazon ein großer Teil der in einigen Ländern erhobenen Digitalsteuer an die Nutzer des Marktplatzes und von denen wiederum an die Endkunden weitergereicht wurde – allerdings nicht in allen Ländern und auch nicht für Bücher, die einem Festpreis unterliegen.
Warum sie trotzdem eine gute Idee ist, haben wir für die FES in einem Policy Brief aufgeschrieben.
Weitere Nachrichten aus dem Bereich internationale Steuergerechtigkeit:
- Verhandlungen zur UN-Steuerkonvention gestartet: In New York läuft aktuell die erste Runde der inhaltlichen Verhandlungen zur UN-Steuerkonvention. Neben der Konvention selbst wird über zwei thematische Protokolle verhandelt, jenem zur Besteuerung grenzüberschreitender Dienstleistungen und zur Schlichtung von Steuerstreitigkeiten. Steuergerechtigkeitsaktivist:innen haben in New York gefordert, dass auch Aspekte wie die Besteuerung Ultrareicher bereits in die Kernkonvention aufgenommen worden. Zur Konvention und den beiden thematischen Arbeitsbereichen Dienstleistungen und Streitschlichtung waren im Vorlauf bereits Positionspapiere eingereicht worden.
- Neue Schätzung zur Gewinnverschiebung von deutschen Konzernen: Einer neuen Schätzung zufolge verschieben deutsche Unternehmen etwa 19 Milliarden Euro Gewinne in Steueroasen – also 8 Milliarden Euro mehr als in bisherigen Schätzungen von Fuest et al. 95 Prozent davon entfällt auf große Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz.
- US-Konzerne veröffentlichen länderbezogene Berichte, Trump boykottiert Transparenz in den USA: Ein spannendes Update vom Fair Tax Mark zeigt, welche US-Konzerne dank EU-Richtlinie in Rumänien schon gute länderbezogene Berichte veröffentlicht haben und erinnert daran, wie Trump über Haushaltskürzungen für die Regulierungsbehörde versucht, Transparenzbemühungen in den USA auszubremsen.
Steuern für Gesundheit und Umwelt
Umweltbezogene Steuern weiterhin niedrig
Das Umweltbundesamt hat die neuesten (bestätigten) Zahlen zu umweltbezogenen Steuern in Deutschland veröffentlicht. Die Einnahmen beliefen sich 2023 auf insgesamt 69,5 Milliarden Euro, also etwa 7,6 Prozent des gesamten Steueraufkommens. 2005 waren es dagegen – noch ohne Luftverkehrsteuer, Zertifikatehandel und CO2-Preis – immerhin 12,2 Prozent. Auch im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit unter dem Durchschnitt der EU-Länder.
Grund für diese Entwicklung ist, dass viele der Umweltsteuern Mengensteuern sind. Bei der mit Abstand wichtigsten Steuer – der Mineralöl- bzw. Energiesteuer – ist die pro Liter fällige Abgabe seit der Erhöhung im Rahmen der Ökosteuerreform im Jahr 2003 konstant. Während sich die gesamten Steuereinnahmen seit 2005 etwa verdoppelt haben, lagen die Energiesteuereinnahmen in absoluten Beträgen sogar noch unter dem damaligen Wert.
Weitere Nachrichten aus dem Bereich Umwelt und Gesundheit
- Doch kein Wahlgeschenk “nur” für McDonalds? Laut der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen entfielen 2022 nur 5,6 Milliarden Euro (10 Prozent) der Umsätze in der Gastronomie auf Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten. Der Umsatz von McDonalds in Deutschland lag zuletzt bei etwa 4 Milliarden Euro. Dahinter folgen weit abgeschlagen Burger King, Pizza Hut, L’Osteria, Nordsee & Co. Der Großteil der geplanten Umsatzsteuersenkung entfällt also auf kleinere Unternehmen. Für McDonalds würde sich die Senkung trotzdem lohnen.
- Neue Kriterien für wirksame Klimaschutzinvestitionen: Wärmepumpe fördern ist gut fürs Klima, Gaskraftwerke subventionieren nicht. Wie man darüber hinaus zwischen guten und schlechten Klimaschutzinvestitionen unterscheiden kann, beleuchtet ein neuer Policy Brief von Green Planet Energy und dem FÖS.
Finanzbeamte für ein gerechtes Steuersystem
Letzte Chance für politische Cum-Ex-Konsequenzen?
Die Staatsanwaltschaft Köln wird erneut aktiv in Sachen Warburg, diesmal mit subtilem politischen Sprengstoff. Neben drei weiteren Bankiers ist auch die zentrale Finanzbeamtin angeklagt, der vorgeworfen wird, durch fragwürdige Verwaltungsentscheidungen die Rückzahlung der erbeuteten Millionenbeträge zunächst verhindert zu haben. Der sprichwörtliche Elefant im Raum ist Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz, dessen mögliche Einflussnahme auf eben jene Verwaltungsvorgänge in Hamburg von einem Untersuchungsausschuss untersucht wurde. Bisher bestritt die Finanzbeamtin sowohl politische Einflussnahme als auch eigenes Fehlverhalten, obwohl sie die Eigenartigkeit des Warburg-Falls im Nachhinein nie ganz abstreiten konnte. Ob sich diese Verteidigungsstrategie also ändert, wo nun (anders als im Rahmen recht zahnloser Untersuchungsausschüsse) eine Haftstrafe im Raum steht? Ob die Staatsanwaltschaft sich nach dem Rücktritt von Olaf Scholz zu einem kräftigeren Auftreten ermächtigt fühlt? Wir sind sehr gespannt, ob diese wohl letzte realistische Chance für eine Aufklärung der politischen Dimension von Cum-Ex zu Ergebnissen führen wird.
Weitere Nachrichten:
- EU aktualisiert schwarze Liste für Geldwäsche: Ab dem 5. August 2025 sind mit Panama und den Vereinigten Arabischen Emiraten auch die letzten zwei Schattenfinanzplätze nicht mehr auf der schwarzen Liste der EU. Dafür finden sich dort jetzt mit Nepal, Kenia oder Namibia weitere Staaten, die den Bürokratieanforderungen offenbar nicht genügen. Neu dazu gekommen sind immerhin Monaco (schwarze Liste) und die britischen Jungferninseln (graue Liste).
- EU Tax Observatory zeigt, wie eine gute schwarze Liste gegen Steuervermeidung aussehen müsste: Laut einer Analyse des EU Tax Observatory sind von den aktuellen schwarzen Listen für Steuervermeidung nur 0,01 Prozent der Steueroasengewinne betroffen. Würde man stattdessen vom Ergebnis her schauen und effektive Steuersätze von weniger als 15 Prozent als Kriterium nutzen, würde man demnach etwa 60 Prozent der Steueroasengewinne erreichen, mit ordentlichen rechtlichen Standards immerhin noch 20 Prozent.
- Doch nur 11 Prozent der Schattenfinanz aufgedeckt? Eine neue Analyse eines alten Leaks (2015 bis 2019) von der Cayman National Bank auf der Isle of Man kommt zu dem Ergebnis, dass nur für 9 Prozent der Kundeneinlagen Informationen mit den Behörden ausgetauscht wurden. Dafür gab es vor allem drei Gründe. 1) Für Depots von Vermögensverwaltern muss nicht die Bank, sondern die Verwalter selbst berichten (etwa 80 Prozent der Einlagen) 2) Die CRS-Regeln enthalten Schlupflöcher für Altkonten und Unternehmen (etwa 6 Prozent) 3) Die Bank hat nicht berichtet, obwohl es möglicherweise eine Berichtspflicht gab (etwa 5 Prozent). Ob die Vermögensverwalter ihren Berichtspflichten nachkommen und was die niedrigen Quoten dieser einen Bank für den gesamten Austausch bedeuten, bleibt weiterhin offen.
- Schneckentempo bei weiteren Cum-Ex-Anklagen: Nach unrühmlichen zwölf (!) Jahren Ermittlungen kommt es nun zu ersten Anklagen gegen zwei Banker der LBBW, der Landesbank von Baden-Württemberg. Der ehemalige Vorgesetzte und mögliche Komplize der beiden Angeklagten ist mittlerweile verstorben. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Stuttgart beziehen sich auf Cum-Ex-Geschäfte aus den Jahren 2007-2009; allein für die ersten beiden Jahre hat die LBBW 200 Millionen Euro zurückerstattet. Das Volumen der illegalen Geschäfte ist also – man möchte fast sagen: landesbankentypisch – sehr hoch.
Hörens- und sehenswert
- Das Vermögen von Dieter Schwarz als Champagnerglas? Alte Glaubenssätze, Einfluss vom Weingut des Lobbyismus und die Vermögensteuer – als exklusiver Jahrgang 1997, extra trocken – im Ausschank: Die neue Folge von Anja Reschke TV beschäftigt sich auf unterhaltsame und bildliche Art mit der Macht der Superreichen.
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