Steuergerechtigkeitscheck Dezember 2025 „2026: Steuergerechtigkeit im Umbruch“

Im letzten Newsletter des Jahres blicken wir nicht nur auf den letzten Monat und das letzte Jahr zurück, sondern wagen auch einen Ausblick auf die nächsten Jahre. 2025 war unsere Arbeit so erfolgreich wie noch nie, trotzdem ist Steuergerechtigkeit bisher nur eine Aufgabe der Opposition. Die aktuelle Bundesregierung macht die Ungerechtigkeit noch größer, und die AfD plant einen Anschlag auf die Gerechtigkeit. Für 2026 müssen wir den Druck für konkrete Verbesserungen vor allem bei der Erbschaftsteuer, aber auch für eine gerechte Besteuerung der Digitalkonzerne und für die Entlastung für Menschen mit kleinem Einkommen also noch einmal deutlich erhöhen. Um den Herausforderungen gerecht zu werden, vor denen wir in Deutschland und als Menschheit stehen, müsste aber noch deutlich mehr passieren. Wie wir diesen Umbruch mitgestalten können, haben wir auf unserer Jahresversammlung diskutiert. In unserem Podcast (Spotify, Apple Podcasts, YouTube) liefert Daniel Heidrich dazu eine spannende Unternehmerperspektive. Für Sie haben wir drei Möglichkeiten vorbereitet, über die Feiertage selbst tätig zu werden: Unser Spiel zur Ungleichheit, eine Umfrage zu unserer Strategie und zwei Lesetipps am Ende dieses Newsletters. Viel Spaß damit und schöne Feiertage.
+++Umfrage zur Strategie 2026 bis 2028+++Union und SPD machen das Steuersystem ungerechter und komplizierter+++AfD will das Steuersystem noch ungerechter machen+++Sonderbehandlung für US-Konzerne scheitert gerade am Widerstand von China+++NRW kauft neuen Datensatz+++EU veröffentlicht neue Steuerlückenschätzung+++Lese-Tipp: Neuer Ungleichheitsbericht und Fallstudie Asklepios+++
Steuergerechtigkeit im Umbruch: Umfrage zur neuen Strategie
In unserer Strategie für 2023 bis 2025 haben wir uns vorgenommen, die Gerechtigkeitslücken im Steuersystem sichtbarer zu machen und dafür organisch zu wachsen. Auch dank Ihrer Hilfe haben wir die meisten dieser Ziele erreicht. 2026 wollen wir unser Team weiter verstärken und freuen uns schon jetzt auf die zusätzliche Unterstützung unserer Bildungsarbeit durch Deborah Lellek.
Bis zu den nächsten planmäßigen Bundestagswahlen Anfang 2029 steht die Welt vor großen Veränderungen. Diesen Umbruch wollen wir möglichst gezielt und effizient begleiten. Dafür brauchen wir wieder Ihre Hilfe. Wie können wir Sie noch besser informieren? Womit sollen wir uns inhaltlich beschäftigen? Und was können wir gemeinsam tun, um den Umbruch im Sinne des Gemeinwohls zu gestalten? Ihr Feedback wäre eine große Hilfe – und dauert etwa 10 Minuten.
Hier geht’s zur Umfrage: https://easy-feedback.de/umfrage/2062496/oPfB58P
Auf dem Weg zu einem gerechteren Steuersystem
Das deutsche Steuersystem muss gerechter, solidarischer und ökologischer werden. Warum und wie haben wir in unserem neuen Handbuch verständlich aufgeschrieben. Wie ungerecht Einkommen und Vermögen verteilt und besteuert werden, können Sie in unserem kleinen Spiel über die Feiertage selbst einmal erkunden und diskutieren. Leider macht bisher nur die eine Hälfte der Opposition Vorschläge für mehr Gerechtigkeit.
Die Bundesregierung macht das Steuersystem ungerechter und komplizierter
Zum Jahresende hat die Bundesregierung eine Reihe von Steuerreformen beschlossen, die das Steuersystem ungerechter und komplizierter machen. Der Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie sinkt auf 7 Prozent – vor allem zur Freude der großen Restaurantketten wie McDonalds. Die Pendlerpauschale wird angehoben und der Gewerkschaftsbeitrag kann von der Steuer abgesetzt werden – zwei zusätzliche Gründe, eine Steuererklärung zu machen und damit mehr Aufwand.
Pünktlich zu Weihnachten wünscht sich Markus Söder außerdem, die für 2028 beschlossene Steuersenkung für Unternehmensgewinne vorzuziehen. Finanzminister Lars Klingbeil scheint dafür offen, auch wenn wissenschaftliche Studien zeigen, dass sie wenig bringen und viel Geld kosten, dass an anderer Stelle besser investiert wäre. Mit der Evidenz aus unserer Studie konfrontiert, antwortete er im Bundestag fast schon philosophisch: “In einer Zeit, in der viele Unternehmen andere Investitionsorte als beispielsweise die USA suchen, halte ich es für ein wichtiges Signal, dass wir hier die Unternehmensteuern senken und deutlich machen: In Deutschland sind alle willkommen.” (Protokoll vom 3.12.2025, S. 30)
Die AfD will das Steuersystem noch viel ungerechter machen
In ihrem neuen Steuerkonzept und dem dazugehörigen Antrag schlägt die AfD eine Flat Tax von etwa 25 Prozent für alle Einkommen vor. Das würde nach Berechnung von Stefan Bach 116 Milliarden Euro kosten. Davon gehen 74 Prozent an das reichste Prozent – Einkommensmillionäre sparen mehr als 200.000 Euro. Die ärmere Hälfte erhält nur 4 Prozent und spart maximal 1.000 Euro. Die Abgabenlast für die Mitte würde, anders als von der AfD versprochen, nicht sinken, sondern eher noch steigen. Sie zahlen bisher deutlich weniger als 25 Prozent Einkommensteuer. Finanziert werden soll die Steuersenkung für Millionäre durch die Streichung von Entwicklungshilfe, Kinder- und Bürgergeld für “Ausländer” und des Klimaschutzes, also von den Ärmsten und Schwächsten. Dazu gibt es auch ein neuen Wirtschaftspolitik akuell von ver.di.
Übrigens: In ihrem Antrag zitiert die AfD auch unsere Studie zum effektiven Steuersatz von Susanne Klatten und argumentiert damit, dass der Steuersatz für die Superreichen durch die Reform kaum sinken würde. Das ist aber falsch: Statt jetzt 30 Prozent würden sie nur noch 25 Prozent Steuern auf ihre Unternehmensgewinne zahlen und sie könnten sie – durch eine Anrechenbarkeit – anders als bisher komplett steuerfrei ausschütten. Außerdem will die AfD die Erbschaftsteuer streichen und plädiert in einem separaten Antrag dafür, die beim Wegzug fällige Steuer auf in Deutschland aufgebautes Vermögen abzuschaffen.
Grüne und Linke arbeiten an Maßnahmen für mehr Gerechtigkeit
Auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen wurde ein Antrag zur Schließung von Gerechtigkeitslücken bei der Erbschaftsteuer, der Immobilienbesteuerung und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung verabschiedet. Auf Antrag der Grünen und Linken wurde im Bundestag außerdem über die gerechte Besteuerung der Digitalkonzerne diskutiert – die einzige Partei, die sich explizit dagegen aussprach, war die AfD: Iris Nieland begründet das in einer wirren Rede mit unternehmerischer Freiheit und lobt Donald Trump. Einem Antrag der Grünen für höhere Steuern für Luxusflüge schlossen sich nur die Linken und zwei fraktionslose Abgeordnete an.
Weitere Nachrichten:
- Scheitert die US-Sonderbehandlung bei der Mindeststeuer?Im Juni 2025 hatten die G7 eine Sonderbehandlung für die USA versprochen (side-by-side). Diese sollte bis Jahresende durch die OECD verabschiedet werden. Durch die Verkündigung im Amtsblatt sollte dann die Europäische Kommission die bis Ende 2025 befristete Befreiung verlängern (safe harbour). Die Einigung wird bisher laut Financial Times aber u.a. von Estland, Tschechien und China blockiert.
- Deutschland besteuert Zucker, Alkohol und Tabak zu niedrig:Zu diesem Ergebnis kommt der PHI (Public Health Index)-Report der AOK im Vergleich mit anderen europäischen Ländern. Der Kassenärzte-Chef Andreas Gassen fordert deswegen, die Steuern auf Tabak und Alkohol zu erhöhen und zusätzlich eine Zuckersteuer einzuführen. Zwei Euro mehr pro Zigarettenpackung würden sieben Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen bringen. Die schwarz-grüne Landesregierung in Schleswig-Holstein hat sich bereits für die Einführung der Zuckersteuer ausgesprochen.
- EU plant Verschiebung von ETS2: Bereits seit 2021 unterliegt der Verkauf von Öl, Gas und Kohle für Heizung und Verkehr in Deutschland dem nationalen Emissionshandel. Der Preis wurde schrittweise von 25 auf aktuell 55 erhöht und soll 2026 erstmals im Korridor von 55 bis 65 Euro auktioniert werden. Ab 2027 sollte eigentlich die EU übernehmen (ETS2). Mitte November hat aber das Europäische Parlament einem Vorschlag der Mitgliedstaaten zugestimmt, die Einführung auf 2028 zu verschieben und mit einem Preis von weniger als 50 Euro zu starten. Die Kommission hat Ende November eine Beschlussvorlage vorgelegt, die sie auch angenommen haben, und deren Zustimmung durch den Rat der Europäischen Union jetzt noch aussteht.
- NRW kauft neuen Datensatz: Ein Terabyte Daten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, den Cayman Islands und Panama hat das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW erworben. Wie hoch der potenzielle Steuerschaden ist, ist bisher unklar.
- Neue Steuerlückenschätzung der EU: Nach Schätzung der EU verliert Deutschland jährlich 5 Milliarden Euro durch Umsatzsteuerkarusselle und insgesamt 31 Milliarden Euro bei der Umsatzsteuer. Ausnahmen bei der Umsatzsteuer – z.B. reduzierte Sätze für Lebensmittel oder die Kleinunternehmerregel – kosten 270 Milliarden Euro. 2025 wurde erstmals auch die Lücke bei Unternehmenssteuern geschätzt – allerdings nur für die Schattenwirtschaft und nicht aus der Gewinnverschiebung großer Konzerne. Deutschland landet mit 7,6 Prozent Lücke unter dem EU-Durchschnitt von knapp 10 Prozent. Übrigens: 14 EU-Staaten haben eigene Teams zur Schätzung der Steuerlücke. Deutschland gehört leider nicht dazu. 21 Länder haben eine Strategie zur risikobasierten Steuerung der Finanzverwaltung, Deutschland nicht.
- Neue Steuergesetze aus dem Rest der Welt: Zum letzten Mal hat das BZSt dem Bundestag den Quartalsbericht zum internationalen Steuerrecht geschickt. Hier ein paar Beispiele der Neuigkeiten: Kolumbien erhöht die Vermögensteuer von bis zu 1,5 Prozent auf bis zu 5 Prozent. Ecuador will thesaurierte Gewinne je nach Höhe mit 0,25 bis 2,5 Prozent besteuern. Indien plant die Umsatzsteuer für Softdrinks, Yachten, Tabak und Glücksspiel auf 40 Prozent zu erhöhen. Die Philippinen führen eine von der Gewinnmarge abhängige Übergewinnsteuer für Metallbergbauunternehmen ein.
- Bundesfinanzhof bestätigt Grundsteuer: Die Pauschalisierung im sogenannten Bundesmodell ist demnach rechtens. Über die abweichenden Ländermodelle in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Hamburg will der BFH nächstes Jahr entscheiden. Die Lobbyverbände um den Bund der Steuerzahler wollen das Bundesmodell jetzt vors Bundesverfassungsgericht bringen – obwohl sie sich sonst vehement für Pauschalisierung und gegen zu viel komplexe Einzelfallgerechtigkeit aussprechen.
- Aktuelle Statistik der Steuereinnahmen der OECD veröffentlicht: Die Sonderauswertung zur Besteuerung von Kapital- und Lohneinkommen zeigt, dass Deutschland vergleichsweise geringe Einnahmen aus Kapitaleinkommen verbucht. Dafür nutzt die OECD einen Mix aus Mikrosimulation und Makro-Steuerdaten und dürfte die komplexen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern trotzdem nicht vollständig abbilden.
- Ein aktuelles Policy Paper der Friedrich-Ebert-Stiftung fasst noch einmal kurz die Argumente für eine Milliardärssteuer zusammen (auf Englisch).
Lektüre-Tipps
- World Inequality Report 2026: Der neue Bericht des World Inequality Labs voller spannender Daten und Grafiken, z. B. zum Vermögensanteil der Top 0,001% seit 1995 (von 3,8% auf 6,1%), zur Bezahlung von Frauen im Vergleich zu Männer vor und nach Einberechnung der unbezahlten Care-Arbeit (61% bzw. 32%), zu den Bildungsausgaben pro Kind (220 Euro in Sub-Sahara-Afrika und 7.453 Euro in Europa, kaufkraftbereinigt), zur Umverteilung auf dem globalen Finanzmarkt (1% des BIP aus dem Globalen Süden in den Globalen Norden) oder zum Anteil der reichsten 10% an den Parteispenden in Frankreich und Südkorea (> 50%).
- Neue Fallstudie “Eigentum verpflichtet” (bei Surplus): Dieses Mal schauen wir uns den Krankenhauskonzern Asklepios an. Weil auch privat geführte Krankenhäuser laut Gesetz dem Gemeinwohl dienen, entfällt die Gewerbesteuer und Asklepios zahlt nur 20 statt 30 Prozent Steuern auf die Gewinne. Seit der Privatisierung des Krankenhausmarktes vor 40 Jahren hat Asklepios ein Vermögen von knapp 3 Milliarden Euro aufgebaut. 2025 wurde es – wahrscheinlich steuerfrei – an die Kinder übertragen. Seit 2005 summieren sich die Gewinne auf 2 Milliarden Euro. Ein Großteil davon blieb im Unternehmen und floss in Investitionen und weitere Zukäufe. Immerhin 300 Millionen Euro flossen ins Family Office und von dort in Luxushotels und Wertpapiere.
Veranstaltungen
- 27.01.2026 17.30 Uhr, Berlin: “Reichensteuer, aber richtig”, Buchvorstellung mit Gabriel Zucman und Paneldiskussion mit Julia, Friedrich-Ebert-Stiftung
- 29.01.2026 13.45 Uhr, Berlin: Panelsession „Gestaltung und Finanzierung des Sozialstaates“ bei der Sozialstaatskonferenz von DGB, ANK Bremen und AK des Saarlandes, mit Keynote von Julia


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