Gerechtigkeitscheck September 2024 – Schluss mit Schwarzmalen – Unsere Trendfarbe für den Herbst: Hell-bunt

Kurz vor der Wahl in Brandenburg und mit Blick auf die Bundestagswahl fordert Hendrik Wüst ein Ende des Schwarzmalens. Der Spätsommer ist hell, der Herbst wird bunt, also versuchen wir es einfach mal.

In Deutschland droht die etwas zu bunte Ampel-Koalition an einer 12-Milliarden-Lücke im Bundeshaushalt zu zerbrechen. Wir versuchen diese eher düsteren Aussichten mit einem 13-Milliarden Euro schweren Lichtblick aufzuhellen. Dafür untersuchen wir, was die irische Regierung mit dem Geld aus dem EuGH-Urteil zu Apple anfängt und welchen Anteil Deutschland daran haben könnte.

In Brandenburg hat sich die Herbstfarbe rot (SPD) noch einmal unerwartet gegen braun-blau (AfD) behauptet, schwarz-blau (Union) landet sogar hinter lila (BSW), grün, gelb und lila-rot sind dafür ganz aus dem Landtag verschwunden. Ein düsterer Ausblick scheint dabei eine große Rolle zu spielen. Soziale Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung waren die ausschlaggebenden Themen für die Wahl, noch vor Zuwanderung. Dass die steuer- und gesellschaftspolitischen Positionen der AfD diesbezüglich kontraproduktiv sind, hat auch in diesem Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt. Steuer- und Fiskalpolitik sind für die meisten Menschen wieder zu abstrakt geblieben. In der Zeit-Analyse (€) dazu schließt Alexander Kriwoluzky (DIW): “Wenn die demokratischen Parteien, aus guten Gründen, keine einfachen Antworten geben möchten, müssen sie die Bedenken und Sorgen eben anderweitig auffangen.” Vielleicht ist die globale Milliardärsteuer der nötige Lichtblick und ein guter Weg, die Bedenken dorthin zu lenken, wo sie hingehören?

Darüber diskutieren wir etwas kontroverser als üblich in unserem Podcast mit Frau Niehues (IW Köln). Im Newsletter schauen wir dieses Mal u.a. ob und wie mit der Milliardärsteuer 30 Milliarden Euro für Deutschland und sogar 2,1 Billionen US-Dollar weltweit eingesammelt werden können. Außerdem dabei: eine fehlgeschlagene Auftragsstudie der Stiftung Familienunternehmen und ein Behörden-Tsunami. Viel Spaß beim Lesen.

+++Analyse zur globalen Vermögensteuer: Bis zu 30 Milliarden Euro Steuereinnahmen für Deutschland+++Noch eine Analyse zur Vermögensteuer: Bis zu 2,1 Billionen US-Dollar weltweit+++Irlands Botschaft an den deutschen Haushalt: 11 Milliarden Euro zu verschenken+++Auftragsstudie der Stiftung Familienunternehmen geht nach hinten los+++Bürokratieentlastungsgesetz als Entlastung für Steuerhinterzieher?+++Geldwäsche-Wort des Jahres: Behörden-Tsunami+++

Buch-Tipp

Unsere Kollegin Julia veröffentlicht ihr erstes Buch. “Blackbox Steuerpolitik” erscheint am 7.10 2024. Passend dazu führt Julia am 16.10. bei NDR DAS! live durch die Gerechtigkeitslücken des deutschen Steuersystems.

Studien-Tipp

Bis zu 30 Milliarden Euro für Deutschland – Unsere neue Analyse zur globalen Vermögensteuer

Deutschland könnte jährlich 15 bis 30 Milliarden Euro aus einer zweiprozentigen Vermögensteuer für Menschen mit mehr als 100 Millionen US-Dollar Vermögen einnehmen. Relevante rechtliche Hürden gibt es nicht. Und obwohl es effiziente Abwehrmaßnahmen gegen Steuerflucht hierzulande bereits gibt, profitiert Deutschland von einem globalen Impuls höherer Steuern für Hochvermögende und einer internationalen Kooperation. Zu diesem Ergebnis kommt unsere Anlayse für die Friedrich-Ebert-Stiftung des Zucman-Vorschlags aus deutscher Perspektive.

Zum Hintergrund: Im Juni hat Gabriel Zucman im Auftrag der brasilianischen G20-Präsidentschaft einen Vorschlag für eine global koordinierte Vermögensteuer für Superreiche vorgelegt. Sie soll dafür sorgen, dass der effektive Steuersatz auf ihr Einkommen auf etwa 50 Prozent steigt. Superreiche würden dann in den meisten Ländern ähnlich hohe Abgaben zahlen wie die Mittelschicht und die Vermögensanhäufung würde ähnlich besteuert wie der Vermögensaufbau durch Arbeit. Von der Steuer betroffen wären alle Menschen mit einem Vermögen von mehr als 100 Millionen US-Dollar. Bereits gezahlte Einkommensteuer könnten sie nach dem Vorschlag auf die fällige Vermögensteuer anrechnen. Zucman nutzt die Milliardärsliste des Forbes-Magazins und statistische Daten zur Zahl der Centimillionäre, um die Einnahmen aus der Steuer abzuschätzen, veröffentlicht aber keine Zahl für Deutschland. Auf X hatte Stefan Bach die Einnahmen für Deutschland bereits auf 5,7 bis 31,4 Milliarden Euro geschätzt, hat seine Rechnung aber ohne die von Zucman vorgeschlagene Anrechnung gemacht. Die in der Forbes-Liste fehlenden Milliardäre hat er zwar eingerechnet, dafür aber die unterschätzten Werte zu deren Vermögenshöhe aus dem Manager Magazin verwendet. Die nicht in Deutschland ansässigen Superreichen hat er herausgerechnet, ohne steuerpflichtiges Vermögen von im Ausland ansässigen Superreichen einzurechnen.

Bis zu 2,1 Billionen US-Dollar: TJNs Perspektive auf die globale Vermögensteuer

Zucman rechnet für seinen Vorschlag mit weltweiten Einnahmen von 377 Milliarden US-Dollar. Eine neue Studie vom Tax Justice Network (TJN) rechnet vor, wie sich die Einnahmen auf bis zu 2,1 Billionen Dollar pro Jahr steigern ließen. Grundlage für die Schätzung sind die Eckwerte der spanischen Vermögensteuer: Dort zahlen die reichsten 0,5 Prozent der Haushalte zwischen 1,7 und 3,5 Prozent Steuern. In Deutschland wären das alle mit einem Vermögen jenseits von etwa 3 Millionen Euro, statt der von Zucman vorgesehenen Grenze von 100 Millionen US-Dollar. Im Globalen Süden wäre die Grenze noch deutlich niedriger. Der Haken an der Sache: In der Praxis taugt die spanische Steuer nur bedingt als Vorbild. Sie nimmt Unternehmensvermögen und große Vermögenswerte wie Flugzeuge von der Steuer aus und bringt deswegen nur einen Bruchteil der von TJN basierend auf den vorhandenen Vermögen errechneten Steuern. Trotzdem eine lesenswerte Studie mit schönen sprachlichen und comichaften Bildern zur absurden Privilegierung von Vermögensanhäufung vor Vermögensaufbau.

Weitere Nachrichten zur internationalen Steuergerechtigkeit:

  • Das Ende 2023 eingesetzte Ad Hoc Committee der UN hat sich auf einen Arbeitsauftrag für die Arbeit an einer UN Steuerkonvention geeinigt. Die EU-Mitgliedsstaaten sind von Ablehnung immerhin auf Enthaltung umgeschwenkt. Die USA und sieben weitere reiche Nationen stimmten dagegen. Erstes konkretes Thema für ein parallel zur Konvention zu verhandelndes Protokoll sollen grenzüberschreitende Dienstleistungen sein. Die Milliardärsteuer steht – eingepackt in den Kampf gegen Steuervermeidung und für die effektive Besteuerung von Hochvermögenden in den Mitgliedstaaten – als letzte von vier Optionen auf der Short-List für Protokoll Nummer 2. Mehr dazu von der UN, von der Global Alliance und vom Global Policy Forum)
  • Der ehemalige niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra soll Kommissar für Klima, nachhaltiges Wachstum und Steuern werden. Wir denken: Steuergerechtigkeit hätte einen eigenen Kommissar ohne Steueroasen-Vergangenheit verdient. Hoekstra war nicht nur für die absurde Sonderbehandlung einiger großer Konzerne durch seine Beamten zuständig, sondern hat auch privat über einen BVI-Briefkasten in Afrika investiert. Dass dabei auch die norwegische Entwicklungshilfe mit an Bord war, macht die Sache nur unwesentlich besser.

Unternehmensteuern

Irland hat jedes Jahr 11 Milliarden Euro zu verschenken, Deutschland müsste sich nur melden

Der Europäische Gerichtshof hat final entschieden: Apple muss 13 Milliarden Euro Steuern an Irland nachzahlen. Vorausgegangen war ein jahrelanges Verfahren der EU-Kommission wegen einer rechtswidrigen Beihilfe über Steuervergünstigungen. Neben Apple hat sich bezeichnenderweise auch Irland gegen die Nachzahlung geweigert – letztlich erfolglos und kann sich nun trotzdem über den Geldregen freuen (Az. C-465/20 P).

Für Apple geht es um weniger als einen Quartalsgewinn, der noch dazu als Rückstellung für das Verfahren bereits in der Vergangenheit eingebucht wurde. Deswegen blieb der Aktienkurs unbeeindruckt und liegt heute sogar über dem Kurs von vor der Entscheidung. Für Irland sieht die Situation etwas anders aus: Die Strategiegruppe zur Unternehmensteuer des irischen Finanzministeriums stellte bereits im Juli 2024 fest, dass ausländische Konzerne für 84 Prozent der Einnahmen aus der Unternehmensteuer und damit fast 23 Prozent des gesamten Haushalts verantwortlich waren. 2023 waren das immerhin fast 20 Milliarden Euro. Die 13 Milliarden Euro kommen jetzt noch oben drauf. Bis 2021, solange der Double-Irish noch erlaubt war, lagen die jährlichen Einnahmen noch deutlich unter 10 Milliarden Euro. Die Strategiegruppe warnt folgerichtig auch, dass sich die Haushaltsplaner nicht länger auf diese “windfall profits” (sprich Gewinnverschiebung aus Deutschland und der restlichen Welt) verlassen sollten und nennt dabei sogar eine Zahl: nämlich 11 Milliarden Euro. Die gehören demnach eigentlich nicht nach Irland. Sollten sie wegfallen, wird aus dem derzeitigen Überschuss von 8,5 Milliarden Euro im irischen Haushalt schnell ein Defizit. Dafür wäre im besten Fall das deutsche Defizit behoben.

Die Iren planen, die zusätzlichen Einnahmen in Zukunftsfonds zu verschieben. In Deutschland ist bisher leider von Vorbereitungen auf ein Scheitern der OECD-Bemühungen um eine gerechtere Verteilung der Steuereinnahmen (Säule 1) nichts zu sehen. Wie der Lichtblick für den deutschen Haushalt (Stichwort Übergewinnsteuer) aussehen könnte, haben wir hier bereits beschrieben.

Für alle die, die sich für die technischen Hintergründe der Entscheidung interessieren und sich, wie wir, fragen warum die Kommission gegen Apple gewonnen, gegen Amazon aber verloren hat: In beiden Fällen wirft die Kommission den Unternehmen vor, die Verrechnungspreis-Prinzipien der OECD falsch angewandt zu haben und die Gewinne an der falschen Stelle verbucht zu haben. In den Fällen Amazon, Fiat und Engie (alle Luxemburg) hat das Gericht diese Argumentation verworfen, weil die OECD-Prinzipien zum relevanten Zeitpunkt im luxemburgischen Recht nicht verankert waren. Bei Apple hat das Gericht jetzt anders entschieden, obwohl die Prinzipien auch im irischen Recht zu den fraglichen Zeitpunkten (1991 und 2007) nicht verankert waren. Was das für die noch offenen Verfahren gegen Nike und Ikea (Niederlande), die 39 belgischen Unternehmen und mögliche zukünftige Klagen bedeutet, können wir noch nicht beurteilen, behalten es aber weiter im Blick.

Vermögen, Erbschaften, hohe Einkommen

Auftragsstudie der Stiftung Familienunternehmen geht nach hinten los

Die gemeinnützige Stiftung Familienunternehmen hat sich der Förderung der Wissenschaft verschrieben und will gleichzeitig Steuerprivilegien für Unternehmenserben erhalten. Bei einer beim ZEW in Auftrag gegebenen Studie ging das nach hinten los.

Hintergrund: Angesichts einer anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Erbschaftsteuer-Privilegien für Unternehmen hat das ZEW Mannheim die Steuerlast deutscher Unternehmenserben im internationalen Vergleich bewertet. Das eigentliche Ziel der Studie lässt sich anhand der Fragestellung erkennen: Wie wird ein „unvorbereiteter Erbfall“ einer großen Kapitalgesellschaft in Deutschland besteuert – der steuerlastechnische GAU also, der in der Praxis kaum vorkommt, da große Unternehmen und Beteiligungen in Deutschland in der Regel gut geplant verschenkt werden. Die Studie stellt dann zunächst auch wie gewünscht fest, dass die Firmenerben in diesem Extremfall besonders hoch besteuert würden und nur in Japan und den USA höhere Steuersätze gelten. Allerdings hören die Autor:innen bei dieser Feststellung nicht auf, sondern kommen zu dem Schluss: In der Praxis besteht aufgrund der Gestaltungsmöglichkeiten „nach wie vor das Potenzial für Übertragungen zu sehr niedrigen Steuersätzen“. Sie weisen darauf hin, dass die Abschaffung der Erbschaftsteuer ebenso wie die Einführung eines proportionalen Steuersatzes (sogenannte flat tax) die Vermögensungleichheit weiter verschärfen könnte. Und empfehlen, über andere Reformoptionen nachzudenken. Wie eine solche Reform aussehen könnte, haben wir hier ganz ohne finanzkräftigen Auftraggeber einmal aufgeschrieben.

Übrigens: Anders als Klaus-Michael Kühne, der das selbst beauftragte Gutachten zur Nazivergangenheit seiner Familie laut Vanity Fair wegen unliebsamer Ergebnisse einfach in der Schublade verschwinden ließ, ist das bei Auftragsstudien öffentlicher Forschungsinstitute, wie etwa dem ZEW anscheinend nicht mehr möglich.

Weitere Nachrichten:

  • Bremer Senat beantragt gerechte Vermögensbesteuerung: Die Vermögensteuer wird in letzter Zeit häufig diskutiert, sowohl international als auch national. Der Bremer Senat möchte dabei nicht mehr warten, bis dies auf Bundesebene diskutiert wird und hat eine Initiative im Bundesrat zur stärkeren Besteuerung von Vermögenden eingereicht. Mit dieser wird angeregt, unter Anderem die Vermögensteuer wieder einzuführen und die Erbschaft- und Schenkungsteuer anzupassen. Auch Kapitalerträge sollen ähnlich wie Arbeitseinkommen besteuert und Steuerhinterziehung strikter verfolgt werden.
  • Bill Gates bekräftigt seine Forderung nach einem gerechteren Steuersystem: In einem Interview sagt er: “I’m a huge believer in the estate tax [das US-Äquivalent zur Erbschaftsteuer] and more progressive taxation […] I don’t think we should generally generationally let families whose great grandfather, through luck and skill, accumulated a lot of wealth, have the economic or political power that comes with that.” Er wird weiter zitiert: “If I designed the tax system, I would be tens of billion dollars poorer than I am”. Mit der Steuerstrategie von Microsoft wollte er anscheinend nicht anfangen…
  • Laut einer Berechnung von Oxfam liegen EU-weit die Steuereinnahmen von Normalverdienern 13-mal höher als die Einnahmen durch vermögensbezogene Steuern. Genau wie in Deutschland hat sich das Steuersystem im EU-Durchschnitt in den letzten Jahrzehnten hin zu einer stärkeren Besteuerung von Arbeit und Konsum entwickelt – während die Spitzensteuersätze auf Einkommen von Personen und Unternehmen gesunken sind.
  • Anlässlich der Wahlen berichtet der MDR umfassend über die ungerechte Verteilung und die Lücken der Erbschaftsteuer.

Steuerverwaltung und Cum-Ex

Bürokratieentlastungsgesetz: 100 Milliarden in noch weiterer Ferne?

Wenn wir in der Öffentlichkeit über nötige Reformen bei der Besteuerung von großen Vermögen, Erbschaften oder Konzernen sprechen, kommt immer wieder das Totschlagargument: Der Staat sollte einfach erstmal gegen Steuerhinterziehung vorgehen und könnte da 100 Milliarden Euro einsammeln. Das Problem daran: Die Schätzung über den Schaden ist so ungenau, dass wir nicht sagen können, ob wir dem Ziel gerade 10 Milliarden Euro näher gekommen sind oder nicht. Und genauso wie Kriminalität selbst mit Polizeikontrollen an jeder Ecke nicht komplett auszurotten wäre, wäre es utopisch und aus Effizienzgesichtspunkten nicht wünschenswert, die kompletten 100 Milliarden wirklich einzusammeln – und ein riesiger Bürokratieaufwand.

Bürokratieentlastungsgesetz klingt dagegen erstmal gut, versteckt aber möglicherweise eine signifikante Hürde für die Aufarbeitung von Cum-Ex und Cum-Cum. Langfristig könnte es daher zu Milliardenkosten führen. Laut Gesetzesentwurf soll die Aufbewahrungsfrist für Steuer- und Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre verkürzt werden – schwere Steuerhinterziehung verjährt allerdings erst nach 15 Jahren. Die ehemalige Chefaufklärerin der Staatsanwaltschaft Köln kann die Problematik von fehlenden Belegen und somit fehlenden Beweisen wohl am besten einschätzen und konstatiert: “Die Bundesregierung erleichtert es, Steuern zu hinterziehen.” Eine Petition dagegen kann man hier unterzeichnen.

Weitere kleine und größere Fortschritte und Rückschläge des letzten Monats hier im Überblick:

Fortschritte:

  • Einem kuriosen Fall der Steuerflucht sind die Fahnder aus Baden-Württemberg auf der Spur: Sie durchsuchten Geschäftsräume im niedersächsischen Wolfenbüttel in der Nähe des Jägermeister-Stammsitzes. Dort soll die Sekretärin des verstorbenen Patriarchen für den Sohn der Familie Gutachten über den Anspruch auf Invalidenrente für die schweizerische Rentenversicherung verfasst haben, der einem Bericht von Correctiv zufolge das Einkommen möglicherweise in der Schweiz deklarierte und noch dazu teils fehlerhafte Gutachten vorgelegt haben soll.
  • In Düsseldorf wurden drei mutmaßliche Anführer eines Umsatzsteuerkarussell-Betrugssystems angeklagt. Ermittelt wurden die Betrugsgeschäfte durch die Europäische Staatsanwaltschaft EPPO. Der geschätzte Steuerschaden beträgt 93 Millionen Euro.
  • Im Juni 2024 haben Ermittler des LKA NRW im Rahmen von Ermittlungen zur Warburg-Affäre das Handy des SPD-Politikers Johannes Kahrs beschlagnahmt. Gesucht wird nach Kommunikation sowohl mit Kanzler Scholz als auch dem Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher.
  • Neue Einheit gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche in BaWü: Das Kabinett in Baden-Württemberg hat sich auf die Einrichtung einer ressortübergreifende Ermittlungseinheit zur Bekämpfung von Geldwäsche, Wirtschafts- und Steuerkriminalität, geeinigt. Innenminister Strobl dazu: “Deutschland ist ein Geldwäsche-Paradies”, wir wollen das ändern – wenn der Haushalt uns das erlaubt.
  • Vorbildliche Transparenz: Hessen hat seinen aktuellen Jahresbericht der Oberfinanzdirektion mit den wichtigsten Kennzahlen zur Steuerverwaltung veröffentlicht. Freuen darf sich die Politik über 1,2 Mrd. Euro Mehrergebnis aus Steuerfahndung und Betriebsprüfung. Auch der Personalstand hat sich in diesen wichtigen Bereichen erhöht. Vor allem aber an der Transparenz sollten sich die anderen Länder ein Vorbild nehmen.
  • Das nächste Whistleblower-Portal: Niedersachsen will 2025 die Pilotphase für ein Online-Portal zur Meldung von Steuerhinterziehung starten. In Baden-Württemberg gibt es ein solches bereits seit 2021. Dort eingereichte Hinweise sorgten 2022 für Mehreinnahmen von 850.000 Euro Steuermehreinnahmen. Die Strafverfolgungsquote war mit 2,9% (zum Vergleich: 6,6% bei regulären Prozessen) aber niedrig. Schleswig-Holstein und Bremen planen ähnliche Portale. (Weitere Informationen: SZ)

Rückschläge:

  • Die erste Anklage wegen Cum-Cum-Geschäften wurde abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hatte Anklage gegen fünf ehemalige Mitarbeiter der DEPFA Deutsche Pfandbriefbank erhoben. Da diese Art von Geschäften der lokalen Kleinbanken regelmäßig in einen Geschäftskontext mit größeren Bankhäusern eingebunden waren, die hier nicht mit angeklagt wurden, ist diese Entwicklung wohl nicht indikativ für die Erfolgsaussichten von Cum-Cum-Ermittlungen anderer Staatsanwaltschaften. Zudem hat die Staatsanwaltschaft Wiesbaden Beschwerde beim OLG Frankfurt eingelegt.
  • Temu und Shein standen in den letzten Monaten wiederholt im Verdacht, bei der Deklaration ihrer Warensendungen zu tricksen. NRW-Finanzminister Optendrenk forderte deswegen, dass sämtliche Pakete durch den Zoll geöffnet werden sollen, z.B. durch Studierende während der Semesterferien. Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft BDZ warnt dagegen jetzt vor Aktionismus: Die Software des Zolls sei veraltet, um große Datenmengen zu bearbeiten, und die Zollämter würden durch den höheren Aufwand weiter gelähmt. (Weitere Informationen hier.)
  • Die US-Steuerbehörde IRS hat im Rahmen ihrer Kampagne zum Schließen von Steuerlücken bei besonders einkommensstarken Steuerpflichtigen 1,3 Milliarden US-Dollar von säumigen Steuerpflichtigen und solchen, die keine Steuererklärung eingereicht hatten, eingenommen. Das ist ein Fortschritt, aber nur ein kleiner Beitrag zu den ursprünglich geschätzten Mehreinnahmen i.H.v. 180 Mrd. Dollar durch die zusätzlich finanzierte IRS-Offensive. Im Kontrast zu den Bemühungen von Politik und IRS die Situation in Deutschland: Der BR setzt sich mit den niedrigen Prüfquoten von Einkommensmillionären und dadurch fehlenden Steuereinnahmen in Bayern auseinander. Die Grünen gehen mit 170 Millionen entgangenen Einnahmen hausieren. Auch wenn es so viel in der Realität wohl nicht ist, werden die unterschiedlichen Prioritäten der Verwaltungen samt den fiskalischen Auswirkungen klar.

Schattenfinanz und Geldwäsche

Quelle: KPMG, 2024

Unser Geldwäsche-Wort des Jahres: Behörden-Tsunami

Beim diesjährigen Geldwäschegesprächskreis an der Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder) diskutieren wir am 26. September über die Auswirkung des EU-Geldwäschepakets auf die Geldwäschebekämpfung in Deutschland. KPMG hat sich das Paket bereits angeschaut und dafür das Wort Behörden-Tsunami gewählt. Ein argloser Tourist in Badehose also, der sich über die plötzliche Ebbe wundert und mit dem Handy filmt, während sich im Hintergrund eine riesige Welle aufbaut.

In diesem Fall besteht der Tsunami aus mehr als 100 nachgeordneten Standards und Umsetzungsvorschriften, die in drei großen Wellen am 10. Juli 2026, am 10. Juli 2027 und am 10. Juli 2029 über die Geldwäsche-Community hereinbrechen werden. Super-Super-Slow-Motion also, um im Bild zu bleiben.

Spannende Fragen die es bis dahin zu diskutieren gibt sind zum Beispiel: Wie wird die AMLA Effizienz der Geldwäscheaufsicht messen – einfach an Hand der Zahl der (gerne auch stupiden) Vor-Ort-Prüfungen oder an den erzielten Ergebnissen? Wer kümmert sich um die Bargeldgrenze, wenn die meisten Güterhändler nicht mehr als Verpflichtete zählen und deswegen nicht länger beaufsichtigt werden, machen das dann die Finanzbehörden? Müssen Journalisten solange wirklich in umständlichem Briefverkehr mit dem Bundesanzeiger-Verlag um jeden einzelnen Zugriff auf das Transparenzregister ringen?

Und vor allem: Nutzt die Ampel die derzeitige Ebbe dafür, dass Finanzkriminalitätsbekämpfungs- und Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz noch vorher zu verabschieden?

Veranstaltungen und Gemischtes

Online:

02.10.2024, 17-18 Uhr: Anrechnung ausländischer Steuern, Lohnsteuer, § 6 AStG.

09.10.2024, 17-18 Uhr: Prozessvereinfachung, Risikoorientierte Besteuerung.

16.10.2024, 17-18 Uhr: Gewerbesteuer, Liquidation und Sanierung.

23.10.2024, 17-18 Uhr: Verluste im Unternehmenssteuerrecht.

Für Berliner*innen:

Andere Städte:

Hörens- und sehenswert:

NWSG in der Presse:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben