Gerechtigkeitscheck März 2025 – Die 1-Billion-Euro-Frage

1.000.000.000.000 Euro – so hoch sind die jährlichen Steuereinnahmen in Deutschland. Etwa genau so viel soll in den nächsten zehn Jahren als Sondervermögen für Militär und Infrastruktur bereitgestellt werden. Nach einem intensiven Wahlkampf, vor allem zu Migration, sind die Sondierungsgespräche sehr schnell beim Geld gelandet. Wir finden: Darüber müssen wir reden – und zwar viel mehr und mit allen! Deshalb starten wir Ende März die Bürgerdebatte gerechte Steuern und Finanzen. Sie ist mit Abstand unser bisher größtes Projekt – und Sie können schon jetzt Teil davon sein.
In diesem Newsletter erfahren Sie, wie. Die weiteren Nachrichten aus unseren Arbeitsbereichen gibt es dieses Mal nur in Kurzform. Der nächste Podcast erscheint Anfang April.
Wir starten ein großes Experiment, machen Sie mit!
Vor den Wahlen wurde die Geldfrage kaum diskutiert. Direkt nach den Wahlen steht sie wieder im Zentrum der politischen Debatte – und das ist auch gut so! Denn für Zukunftsinvestitionen und Sicherheit braucht es schnelle Antworten. Doch ein Sondervermögen allein verschiebt die eigentliche Frage nur in die Zukunft.
Wer soll das bezahlen?
Das war in den letzten Monaten unser Arbeitstitel und zufällig genau zum Projektstart der Titel in der Bild-Zeitung. Über die Frage, was wir uns als Gesellschaft leisten wollen und wie wir das gerecht finanzieren, müssen wir nach der Vereinbarung zu den Sondervermögen dringender sprechen denn je. Gemeinsam mit dem Bund der Steuerzahler und Mehr Demokratie schaffen wir einen offenen Raum, in dem Bürgerinnen und Bürger sich daran beteiligen können – sachlich, faktenbasiert und lösungsorientiert.
Ende März starten wir dazu eine Online-Debatte, die möglichst viele Menschen ermutigen soll, sich an der Suche nach Antworten zu beteiligen. Im Mai und Juni 2025 debattieren dann 40 ausgeloste Bürgerinnen und Bürger über die Ergebnisse. Seien Sie schon jetzt dabei und helfen uns das Experiment zum Erfolg zu machen. Jetzt spenden!
Ihre Spende hilft: Dank der finanziellen Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung und der Schöpflin-Stiftung ist die Finanzierung der Bürgerdebatte bereits gesichert. Für die Online-Debatte können wir auf die Expertise von make.org zählen, die z.B. beim Forum gegen Fakes die Beteiligung von mehr als 400.000 Menschen organisiert haben. Aber um die öffentliche Debatte groß und möglichst zugänglich zu machen, fehlen uns noch 88.700 Euro.
Damit:
- sorgen wir dafür, dass die Online-Debatte auch die erreicht, die über die üblichen Kanäle nicht zu erreichen sind, damit wir ein ausgewogenes Stimmungsbild erhalten;
- programmieren wir Online-Tools mit dem jede(r) die eigene Betroffenheit simulieren und Reformideen entwerfen kann;
- organisieren wir schließlich eine große Online-Diskussion nach der Debatte und machen die Ergebnisse der Bürgerdebatte zum öffentlichen Ereignis.
Warum die Sondervermögen das zentrale Problem nicht lösen
Unabhängig davon, wie man auf Staatsschulden blickt, gibt es mindestens zwei Probleme mit den aktuellen Vereinbarungen von Union und SPD zu den Sondervermögen. Zum einen besteht bei den schuldenfinanzierten Investitionen die Gefahr, dass sie ohnehin geplante Ausgaben ersetzen um so zusätzlichen Haushaltsspielraum für Steuersenkungen oder Zusatzausgaben zu schaffen. Zum anderen sind Militärausgaben keine Investitionen in die Zukunft. Die Produktion der Rüstungsgüter beansprucht knappe Ressourcen und bezahlt nicht die irgendwann fälligen Zinsen. Die Frage, wie das zusätzlich geschaffene Geld sich am Ende in der Gesellschaft verteilt, bleibt in allen Fällen bisher unbeantwortet – genauso wie die Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Männer, Milliarden, Macht
Fehlende Vermögensbesteuerung zementiert Ungleichheit
Die Vermögenslücke zwischen den Geschlechtern ist bei den Milliardenvermögen besonders groß: In Deutschland gehören 71 % der Milliardenvermögen Männern, während nur 29 % Frauen besitzen. Das zeigt unsere neue Studie. Dabei haben wir auch die Erbpraktiken in Milliardärsfamilien untersucht: Bei rund zehn Prozent der deutschen Milliardenvermögen wurden männliche Nachkommen bei der Vermögensübertragung gegenüber weiblichen Nachkommen bevorzugt.
Was bedeutet das für eine geschlechtergerechte Steuerpolitik? Der Fokus auf das Ehegattensplitting greift zu kurz. Stattdessen sollte die unzureichende Besteuerung von Vermögen und Vermögenseinkommen stärker in den Mittelpunkt rücken. Welche konkreten Maßnahmen folgen sollten, erklären wir hier.
Internationale Steuergerechtigkeit
Zukunft der Mindeststeuer in Gefahr?
Als einer seiner ersten Amtshandlungen hat Trump den Ausstieg aus den OECD-Vereinbarungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung verkündet. Denjenigen, die die Regeln für US-Unternehmen anwenden, droht er mit Vergeltung. Nach Ungarn und dem BDI hat sich auch der hessische Finanzminister (Union) gegen die Steuer positioniert. Auf der offiziellen Seite des Ministeriums warnt er vor Nachteilen für deutsche Unternehmen, kritisiert, dass sie Deutschland keine Zusatzeinnahmen bringt und bezeichnet sie als Prestigeobjekt von Olaf Scholz. Dabei trifft die Mindeststeuer auch ohne US-Beteiligung vor allem die großen US-Konzerne. Statt sie abzuschaffen, sollte die neue Bundesregierung endlich für fairen Wettbewerb sorgen und dafür auch die deutschen Gewinne der US-Konzerne hier besteuern (mehr dazu in unserem aktuellen Blog).
Weitere Nachrichten in Kürze
Globale Steuergerechtigkeit
- Goldenes Fenster für globale Steuergerechtigkeit? Aktuell erwägt Trump den Austritt aus multilateralen Organisationen. Von den UN Verhandlungen zur Steuerrahmenkonvention haben sich die USA schon bei der ersten Sitzung Anfang Februar zurückgezogen. Das Tax Justice Network sieht darin eine einmalige Möglichkeit, ohne die gewohnte Blockadepolitik der USA echte Fortschritte zu erzielen. Der Aufforderung der USA, die Verhandlungen zu verlassen, hat sich bisher kaum jemand angeschlossen.
Schattenfinanz und Geldwäsche
- Trump streicht BO-Register: Das US-Finanzministerium setzt das entsprechende Gesetz, das Unternehmen zur Offenlegung ihrer wirtschaftlichen Eigentümer (beneficial owners) verpflichtet, vorerst nicht durch (mehr dazu: hier)
- TI-Studie zeigt, wo schmutziges Geld aus dem Globalen Süden landet: 357 Vermögenswerte und 121 Immobilien gekauft mit dem Geld aus großen Korruptionsfällen hat TI identifiziert und analysiert. Die meisten davon gehören zwischengeschalteten Offshore-Gesellschaften. Immerhin zwei der Immobilien stehen in Deutschland (mehr dazu hier).
- Geldwäsche auf einem neuen Level: Mitte Februar haben Hacker aus Nordkorea von der Kryptobörse Bybit 1,5 Milliarden US-Dollar erbeutet. Bis sie die Beute verwenden können, müssen sie noch die Spuren auf den Blockchains und Kryptobörsen dieser Welt verwischen – und den Jägern entkommen, die Bybit laut Spiegel mit 10 Prozent der Beute belohnt. Ein spannendes Lehrstück über die Probleme der Kryptowelt.
Cum-Ex und Steuerhinterziehung
- Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschusses ist zu Ende: Der Abschlussbericht ergänzt den 1.057-seitigen Zwischenbericht um weitere 277 Seiten mit Erkenntnissen zu den Cum-Ex Geschäften der HSH und weiterer Hamburger Institute. Viele Fragen bleiben trotzdem offen.
- Spektakel im Prozess gegen den wichtigsten Cum-Ex-Kronzeugen: Die ehemalige Oberstaatsanwältin Brorhilker widerspricht der Anschuldigung, sie hätte für die Unterstützung der Ermittlungen Straffreiheit versprochen. Die Gewinne aus seinen Cum-Ex Geschäften hat der Kronzeuge bisher nur zu kleinen Teilen zurückgezahlt und versteckte sie möglicherweise aktiv.
- Sanjay Shah jetzt auch in Deutschland angeklagt: Dänemark hat ihn wegen eines Schadens von 1,2 Milliarden Euro bereits zu 12 Jahren Haft verurteilt und trotz angekündigter Berufung dort eingesperrt. Jetzt hat auch die Staatsanwaltschaft Köln Anklage erhoben – wegen einem Schaden von 46,5 Millionen (Hintergrundinfos im Handelsblatt, €)
Hörens- und sehenswert:
Warum ist Reichtum so ungerecht verteilt? https://www.arte.tv/de/videos/115510-011-A/warum-ist-reichtum-so-ungerecht-verteilt/
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